Ich konnte nun endlich den GT86 mal für eine Stunde fahren.
Er hatte aber nicht die Serienrädern, sondern die Optionsrädern 18 Zoll, und zwar nicht die extrem leichten OZ Ultraleggera, sondern die anderen, genannt "B30", die vermutlich erheblich schwerer sind, auch in Relation zu den eher leichten Serienrädern. Die beim Vorführwagen montierten Reifen waren dementsprechend nicht die Priusreifen (mit weniger Grip), sondern normale UHP-Reifen (Dunlop SP Sportmaxx GT in 225/40-18).
Ich bin direkt nach einer schnellen Runde mit meinem BMW durchs Hinterland im Toyota-Autohaus aufgeschlagen, um möglichst gut zwischen beiden Wagen vergleichen zu können. So der Vorsatz....
Nach den Formalitäten und einer kurzen Einweisung ging es dann zur Sache. Leider war der Motor noch kalt, ich musste ihn erstmal warm fahren, was vielleicht etwas unfair ist, den kalten GT86 mit dem noch "dampfenden" BMW zu vergleichen.
Allererster Eindruck: Der Bremskraftverstärker gibt sehr viel mehr Servounterstützung, ich habe bestimmt 20 min gebraucht, bis ich beim Anbremsen und gleichzeitigem Schalten mit Zwischengas nicht immer zu stark gebremst oder zu wenig Zwischengas gegeben habe. Später hat das dann aber wirklich perfekt funktioniert! Es ist also kein Kritikpunkt, sondern es ist einfach eine kurze Eingewöhnung nötig. Leider wurden dadurch die ersten Eindrücke der Fahrt etwas überschattet, weil ich mich zu sehr auf Bremse und Zwischengas konzentriert habe.
Damit und mit dem Warmfahren des Motor hat der direkte Vergleich BMW 323ti vs. Toyota GT86 doch nicht so gut geklappt wie erhofft. Gute Vorsätze.....
Der Seitenhalt der Sitze ist wirklich sehr schön, deutlich besser als im BMW. Etwas gestört hat mich, dass ich mich mit dem rechten Knie gerade an der Kante der Mittelkonsole anlehne. Das ist aber vielleicht ein Problem speziell von mir, denn ich habe recht lange Beine.
Der Sitz könnte zumindest mir in meiner Sitzposition noch etwas mehr Auflagefäche im Bereich untere Oberschenkelbereich geben. Es war aber durchaus o.k., nur halt nicht völlig perfekt.
Einmal hat mich die durch die breite C-Säule etwas eingeschränkte Sicht nach schräg hinten rechts gestört, als ich beim Wenden wieder rückwärts auf die Strasse wollte.
Aber bei der Übersichtlichkeit muss man heute leider bei allen Autos Kompromisse machen.
Wirklich toll ist die sehr direkte Lenkung, welche die hohe Agilität auch nicht nur vortäuscht (wie das heute meist üblich ist), sondern die real vorhandene hohe Agilität schön unterstützt.
Der Wagen liegt richtig satt auf der Straße. Dabei dürfte der tiefe Schwerpunkt sehr unterstützen. Aber auch die Stabis sind vermutlich eine Ecke härter als im 323ti, denn der GT86 hat weniger Seitenneigung und auch weniger ausgeprägte Aufbaubewegungen der Karosserie beim Umsetzen des Autos in schnell durchfahrenen Wechselkurven. Dabei ist aber die Federung keinesfalls zu hart! Der auf kleinen Landstrassen mit Asphaltqualitäten zwischen "sehr gut" und "richtig übel" bewegte Wagen hatte immer satte mechanische Traktion (zumindest im Trockenen mit den montierten UHP-Reifen) und war auch subjektiv nicht unkomfortabel gefedert.
Beim scharfen Anbremsen hat er 2 x ein gewisses "Tigern" gezeigt, was sicher auch von der recht schlechten Fahrbahndecke dort kommen dürfte. Sonstige Empfindlichkeit auf Spurrillen etc habe ich aber nicht bemerkt.
Irgendwelche Probleme mit Untersteuern gab es nicht. Nur einmal in einem etwas arg optimistisch schnell zu 3/4 umfahrenen Kreisverkehr wurde er mit angelegtem Gas zum Schluss etwas zu schnell und hat dann über die Vorderachse geschoben. O.k, dass macht meiner dann auch, Wunder gibt es keine. Wenn man ein Auto überfährt wird es halt untersteuern. In anderen Kreisverkehren war alles bestens mit dem GT86.
Von Fahrwerk und Lenkung her ist das richtig grosses Kino und dabei sehr spaßig. Und eben landstrassentauglich. Denn auf topfebenen Rennstrecken können viele schnell.....
Beim Getriebe habe ich ganz am Anfang nicht sofort sauber den 5. und / oder 6. Gang reinbekommen (gefühlt bin ich kurz hängen geblieben in der Gassenführung). Nach kurzer Zeit gab es das Problem aber nicht mehr. Keine Ahnung, ob nun das Getriebe oder doch eher der Fahrer erstmal auf Betriebstemperatur kommen musste. ;) Ich tippe mal vorsichtig auf zweiteres, denn Schaltgassen werden nicht warm.
Das Getriebe schaltet sich sehr schön knackig. Da gibt es wirklich nichts zu meckern. Man fühlt sehr gut das Einlegen des Ganges.
Etwas irritiert hat mich das harte Herausbeschleunigen aus engen Kurven. Es fühlte sich zuweilen etwas "kraftlos" an. Das allerdings muss ich jetzt ausgiebig diskutieren, denn ich kann es selbst nicht ganz sauber auseinander halten, ob die Ursache eher im Bereich Motor, ESP oder Sperre zu suchen ist:
- Ich fange mal beim ESP an. Eigentlich meine ich, ich hatte ich das ESP komplett ausgeschaltet
*, und zwar durch langes Drücken der linken Taste in der Mittelkonsole (Symbol schleuderndes Auto mit dem Schriftzug "Off"), bis die beiden Warnleuchten in der rechten Uhr der Armaturen aufleuchten. Ich hatte jedoch in mindestens 2 Kurven subjektiv den Eindruck, dass das Gas zurückgenommen wird. Dabei blinkte zumindest in diesen zwei Kurven die Kontrollleuchte mit dem Symbol des schleudernden Autos im Drehzahlmesser. Dabei mag gewisser Schlupf an der Hinterachse aufgetreten sein, vom Drift war ich aber noch weit entfernt. In anderen sehr engen Kurven dagegen kam der Wagen mit ganz leicht ausgestelltem Heck um die Kurve, und ich hatte hier nicht den Eindruck, dass ein Eingriff passierte. Leider war ich ansonsten zu sehr mit Fahren beschäftigt, um dabei ständig zu gucken, ob die Warnlampe blinkt.
Ich kann es offen gesagt momentan nicht sauber einordnen und muss mal einen Blick in das Handbuch zum Wagen werfen, ob ich die ESP-Abschaltung richtig durchgeführt habe und was der Hersteller dort zur 100 %-igen Abschaltbarkeit sagt. Oder ob ich mir das mit dem Eingriff nur eingebildet habe und es andere Ursachen hat (siehe unten).
(* SIEHE DAZU KOMMENTAR IM NÄCHSTEN BEITRAG)- Die Torsensperre ist sicherlich geil - wenn man nicht dummerweise wie ich eine extrem schnell reagierende Drexler-Lamellensperre mit der recht hohen Sperrwirkung von 77% / 54% gewöhnt ist. Ich jedenfalls ging dadurch einfach mit der Erwartung an den GT86 heran, dass die Sperre herzhafter eingreift, und man die Sperrwirkung in engen Kurven viel deutlicher am Eigenleben des Fahrzeughecks merkt. Der BMW presst mit der Drexler-Sperre doch viel öfter mit leicht ausgestelltem Heck und fühlbarem Schlupf an der Hinterachse bei bester Traktion aus engen Kurven heraus. Das kann man als "mehr PS" wahrnehmen, es ist aber durchaus nicht unwahrscheinlich, dass es eher die Charakteristiken der beiden Sperren wiedergibt.
Fazit: Ich persönlich werde beim Toyobaru wieder auf eine Drexler-Sperre mit hohem Sperrwert umrüsten.
- Und schliesslich der Motor.
Ja, der Motor.... Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll und ob ich ihn gerade richtig beurteile.
Er könnte doch etwas besser gehen! Oder bilde ich mir das ein? Geht mein Motor im 323ti eigentlich besser?? Ich weiß es offen gesagt gerade selbst nicht.
Mein 2,5-Liter Reihensechszylinder mit Nockenwellen-Tuning und offiziell 208 PS dreht natürlich seidig wie eine Turbine. Das ist nicht eben leicht zu überbieten. Nicht umsonst sind diese Motoren über Jahre mit Lob nur so überschüttet worden.
Im Vergleich wirkt der Boxer im GT86 etwas "rauh", wobei ich mich gerade nicht erinnere, ob das nur am grummeligen Motorsound liegt, oder auch an der Laufruhe.
Subjektiv wäre etwas mehr Druck nicht schlecht, auch im mittleren Drehzahlbereich. Das könnte das Herausbeschleunigen aus engen Ecken schon beeinflussen.
Fairerweise muss man aber auch sagen, dass der Boxer-Motor erst 900 km auf der Uhr hatte und damit sicher noch nicht seine normale Leistungsabgabe erreicht. Die vermutlich recht schweren B30-Optionräder werden die Elastizität ebenfalls drücken.
Die alternativ angebotenen, sehr leichten OZ Ultraleggera-Räder sind da die deutlich klügere Wahl, wenn man größere Räder will. Außerdem hat der GT86 die längere von beiden Achsübersetzungen.
Letztlich muss man natürlich sagen, dass Motorleistung eh nur im direkten Vergleich interessiert. Sobald man einen Wagen besitzt hat er eben X PS, und fertig. Irgendwer ist eh immer schneller. Und nach kurzer Zeit zählt nur noch Agilität und Fahrverhalten und wie ich dieses auf der Strasse umsetzen kann. Und da schwächelt der GT86 nun ganz bestimmt nicht.
Nach dem Umstieg zurück auf meinen BMW musste ich leider erstmal auftanken und mich dazu durch den Berufsverkehr bis zur nächsten Tanke stehen, so dass wieder kein direkter, ganz frischer Vergleichseindruck drin war.
Dann noch eine schnelle Runde durchs Hinterland im BMW:
Tja, geht der BMW nun besser??? Ich weiß es nicht....
Der Reihensechser im BMW wirkt klar "turbinenhafter".
Aus engen Ecken bleibt der Eindruck, dass der BMW da besser zur Sache kommt - schon wegen der Drexler-Sperre.
Dafür hat der GT86 ganz klar weniger Aufbauneigung, dadurch eine insgesamt sattere Strassenlage und die tolle, direkte Lenkung.
Leider lief der Vergleich nicht perfekt ab. Es ist auch gerade Erntezeit, und die Bauern verteilen sehr großzügig ihren Acker auf der Strasse, so dass ich sehr konzentriert fahren musste und nicht alle Details in Ruhe vergleichen konnte.
Fazit:
- Ja, der GT86 ist ein toller Sportwagen für die Landstrasse!
- Die ESP-Frage muss ich definitiv abklären!
- Ich werde mal versuchen, später einen Vorführwagen mit mehr Laufleistung und Serienrädern auszuleihen (ggf. den BRZ mit kurzer Achse) und diesen im direkten Vergleich mit meinem BMW zu fahren, ggf. mit mehrfachem Wechseln zwischen beiden Autos, um ein realistischeres Bild zu bekommen. Dazu will ich mir dann auch schön leere Strecken mit mehr engen Kurven und weniger Dreck auf der Strasse aussuchen, in denen man noch etwas einfacher ans Limit gehen kann.
Grüße
ChrisH
Bearbeitet von: ChrisH am 02.10.2012 um 12:43:29Bearbeitet von: ChrisH am 02.10.2012 um 21:36:59Bearbeitet von: ChrisH am 04.10.2012 um 21:33:25