- Andererseits nehme ich immer einen schweren Unfall billigend in Kauf, wenn ich morgens ins Auto steige(Zitat von: ChrisH)
Ich sag hierzu mal: darauf kommts nicht an. Die Frage ist nicht, ob Du einen Unfall "billigend in Kauf nimmst", wenn Du morgens ins Auto steigst, den Zündschlüssel rumdrehst und losfährst, sondern ob Du den Unfall (und damit die Verletzungen / Tötungen / Sachbeschädigungen) durch das Überfahren einer roten Ampel, durch das Missachten einer Geschwindigkeitsbeschränkung, durch das Missachten eines Überholverbots, ... billigend in Kauf nimmst. Mit anderen Worten: es wird immer auf die Handlung abgestellt, die letztendlich zum Unfall führte. Und geprüft, ob diese Handlung rechtlich korrekt war, und - wenn nicht, ob die Beachtung der Vorschriften den Unfall verhindert oder gemildert hätte (explizit: Verletzung statt Tötung).
Ich mach mal ein Beispiel:
Angenommen, Du fährst schön brav mit 50 bei erlaubten 50 durch die Straßen - und urplötzlich hüpft Dir ein Kind vors Auto. Du kannst nicht mehr rechtzeitig bremsen, erwischst das Kind - und selbiges hats hinter sich. Rein rechtlich gesehen hast Du alles richtig bzw. nix falsch gemacht, und deshalb gehst Du auch straffrei aus der Geschichte raus, wirst also weder wegen einer fahrlässigen noch wegen einer vorsätzlichen Tötung verurteilt. Selbst wenn Du - genau wie auch ich - sicher immer damit rechnest bzw. befürchtet, dass das berühmte Kind hinter dem berühmten Ball zwischen den beiden berühmten Autos auf die Straße rennt.
Aber ab welcher Unfallwahrscheinlichkeit fängt denn dann Mord an?(Zitat von: ChrisH)
Na ja. Ab gar keiner.
Der Unterschied zwischen Totschlag und Mord sind die von mir schon angesprochenen Mordmerkmale. Ich zähl sie nochmal auf und setz (ggf.) die Definitionen dahinter:
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Mordlust: dem Täter kommt es in erster Linie darauf an, einen Menschen sterben zu sehen
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zur Befriedigung des Geschlechtstriebs: der Täter will sich entweder durch den Tötungsakt oder durch die / an der Leiche sexuelle Befriedigung verschaffen
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Habgier: rücksichtsloses Streben nach materiellen Gütern
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Sonstige niedrige Beweggründe: Motive, die als besonders verwerflich erscheinen. Es sind also Motive, die nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich sind.
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Heimtücke: Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers
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grausam: dem Opfer werden aus gefühlloser / unbarmherziger Gesinnung besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zugefügt, die in Stärke / Dauer über das für die Tötung unvermeidliche Maß hinausgehen
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gemeingefährlich: beim konkreten Einsatz des Tötungsmittels kann der Täter nicht ausschließen, eine Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben zu gefährden
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zur Ermöglichung einer Straftat: die Tötung wird als Mittel zur Begehung einer weiteren Straftat eingesetzt
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zur Verdeckung einer Straftat: die Tötung wird eingesetzt (zum Nachteil des Opfers, eines Zeugen, eines Verfolgers), um die eigene oder eine fremde Bestrafung zu verhindern
Wenn man die beiden Fälle - also den Kopfschuss und das Straßenrennen - hinsichtlich der Mordmerkmale mal durchprüft, kommt man bzw. komm ich (a.A. vertretbar) auf das, was folgt:
1. KopfschussMordlust, das mit dem Geschlechtstrieb, die Gemeingefährlichkeit und die Ermöglichungs- sowie die Verdeckungsabsicht schließ ich blind aus. Da seh ich absolut keine Hinweise. Auch seh ich keine materielle Vorteile, folglich keine Habgier. Grausam ist ein Kopfschuss auch nicht. Gut ausgeführt isses schnell vorbei.
Wenn man sich mit dem Partner heftig streitet (so der Artikel) und der Dame auch bekannt war, dass ihr Partner eine Waffe (dabei) hat, kann sie m.E. nicht davon ausgehen, dass er selbige nicht einsetzen wird. Folglich seh ich auch keine Heimtücke. Und wenn man sich bei einem vorangegangenen heftigen Streit bzw. berechtigt (was immer das auch heißt...) über den Partner ärgert, dann seh ich auch keine hemmungslose, triebhafte Eigensucht. Also auch kein Raum für sonstige niedrige Beweggründe
Ich komm also in dem Fall auch nicht auf Mord.
Im Gegenteil: Ich würd mir den minder schweren Fall des Totschlags angucken, der dann in Frage kommt, wenn der Täter vom getöteten Menschen zum Zorn gereizt wurde und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Da kommts allerdings wirklich auf den Verlauf des Falles an.
2. Das StraßenrennenFür mich scheiden Mordlust, Geschlechtstrieb, Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht, Habgier und Grausamkeit sofort aus.
Zur Heimtücke: klar, das Opfer sah sich nicht einem Angriff aufs eigene Leben ausgesetzt und war so sicher auch wehrlos. Aber ich bin nicht der Ansicht, dass dies vom Täter ausgenutzt wurde. So klar keine Heimtücke.
Ich bin durchaus geneigt, die Gemeingefährlichkeit hier zu bejahen. Ein Fahrzeug, das mit 160 km/h über den Ku'damm fährt, ist in meinen Augen unkalkulierbar, bei Zwischenfällen (ein Hindernis taucht auf, der Fahrer versucht auszuweichen) unkontrollierbar - und so geeignet, viele Menschen in Lebensgefahr zu bringen.
Zu den sonstigen niedrigen Beweggründen: ich hab hier im Thread schon mal was dazu geschrieben. Gute Begründung usw. . Sicher ist es von enormer Eigensucht, Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit getrieben, aufm Ku'damm rausfinden zu wollen, wer schneller / der "bessere" Fahrer ist. Mit guter Begründung kann man auch das in meinen Augen bejahen.
Ich bin da immer noch unschlüssig. In meinen Augen kann man die beiden von mir angesprochenen Mordmerkmale mit guter Begründung bejahen und mit sehr guter Begründung verneinen.
Bearbeitet von: mb100 am 08.03.2017 um 23:56:46