Hallo Syndikat Mitglieder,
ich habe mich entschieden dieses Thema hier zu eröffnen, weil viel Halbwissen kursiert. Es soll hier um die rechtlichen Hürden bei der Leistungssteigerung gehen. Dabei beschränke ich mich auf die deutschen Gesetze. Zur Erklärung, alle deutschen Technischen Prüfstellen haben die Merkblätter der VdTÜV als Vorgaben für diese Art der Prüfungen. Sprich, egal ob DEKRA in Ostdeutschland oder der TÜV in Westdeutschland alle müssen sich daran halten.
Definition: Jegliche Veränderung am Motor/Anbauteilen welche die Motorleistung oder das Motordrehmoment erhöht ist als Leistungssteigerung zu sehen und so zu behandeln.
Grundsätzliche DingeAus Fahrdynamischer Sicht sind folgende Zustände als relevant für die Prüfung zu sehen:
- Bremsen aus Höchstgeschwindigkeit
- Verhalten bei VMax
- Anfahren mit höchstmöglicher Beschleunigung
- Lastwechsel im Bereich der maximalen MotordrehzahlGrundsätzliche ist es so dass man Motoren innerhalb des Typen tauschen kann, auch wenn der Hersteller den gleichen Motor (Abgasnorm etc.) in einem anderen Typen verwendet kann er getauscht werden. Sollte jedoch ein fremder Motor (
sprich ohne Prüfung in diesem Typ) bzw. ein Motor aus dem gleichen Typ jedoch unter veränderter Peripherie verbaut werden. So muss ein komplettes Abgasgutachten vorgelegt werden (
der Abgasnorm der Karosse entsprechend oder besser).
Bei modernen Fahrzeugen
muss weiterhin die OBD Prüfbereitschaft vorhanden sein.
AllgemeinesNach dem Motortuning muss das Fahrzeug betriebs- und verkehrssicher sein. Außerdem muss ein Nachweis über die Elektromagnetische Verträglichkeit erfolgen. Alle durch das Tuning höher belastete Bauteile des Antriebstangs und Fahrwerk müssen so ausgelegt sein das unter betriebsüblichen (s.o.) Umständen ein plötzliches Versagen ausgeschlossen ist. (
Bsp. Ausreißen der HA E36/E46, 316i Kardanwelle und Antriebswelle für einen V8 Umbau)
Grundsätzlich teilt man in 3 versch. Gruppen ein:
- Leistungssteigerung bis 20%
- Leistungsteigerung von 21% bis 40%
- Leistungssteigerung von mehr als 40%
Im Folgenden liste ich kurz auf welche Prüfungen jeweils von nöten sind, bzw. über welche Dinge Nachweise gebracht werden
müssen.
Anforderung an Leistungssteigerung bis 20%- Ermittlung der Motorleistung und des Motordrehmoments
- Überprüfung des Geräuschverhaltens
- Abgasgutachten und Kraftstoffverbauch (
bei modernen Fahrzeugen wegen der Kfz. Steuer)
- Höchstgeschwindigkeit
- Bremsverhalten
- Elektromagnetische Verträglichkeit
- Eignung der Reifen (
Hauptsächlich Traglast und Geschw. Index)
- Fahrerprobung
- Eignung des Tachos (gesteigerte Vmax)
- Weitere gesetzliche Kleinigkeiten
Anforderung an Leistungssteigerung von mehr als 20% bis 40%- Alle Anforderung für die Leistungssteigerung bis 20%
- Einrichtung zur Überwachung der Getriebetemperatur
- Schutzmaßnahmen gegen Abreißen der Kardanwelle
Anforderung an Leistungssteigerungen von mehr als 40%- Alle Anforderungen für die vorherigen zwei Leistungsstufen
- Betriebsfestigkeit auf Basis des Serienfahrzeugs (statischer Test)
- Betriebsfestigkeit im Fahrversuch nachweisen (2000km bei vorgegebenen Profil)
- Bremsverhalten bei Vmax
PrüfungenMotorleistung: stationärer geeichter Prüfstand.
Abgasgutachten: Gutachten muss die Abgasnorm der Karosse oder besser nachweisen. Ein Abgasgutachten ist nicht mit einer AU zu verwechseln. Ein Abgasgutachten kostet je nach Abgasnorm zwischen 400€ und 5000€.
Geräuschmessung: Wird von Technischen Prüfstellen auf speziellen Prüfgeländen angefertigt. Dabei Messung im Stand und in der Vorbeifahrt. Die Grenzwerte die zur Zeit der Homologation der Karosse gültig waren müssen eingehalten werden. Kosten 200-300€
Ermittlung der Höchstgeschwindigkeit: Die Höchstgeschwindigkeit nach dem Tuning muss erfahren werden bzw. ein Gutachten darüber von einer Technischen Prüfstelle vorliegen.
Nachweis der Bremsleistung: Bis 20% Leistungssteigerung reicht ein Herstellernachweis über die Leistungsfähigkeit der Bremsen. Bei mehr als 20% muss ein Gutachten angefertigt werden. Dabei gilt immer dass die Bremsleistung den damaligen Richtlinien entsprechen muss die gültig waren zum Zeitpunkt der Erstzulassung.
Prüfung der Funkentstörung bzw. der Elektromagnetischen Verträglichkeit: Gutachten eine Technischen Prüfstelle, darauf haben sich einige wenige Technische Prüfstellen spezialisiert. Adressen gibt es auf Anfrage.
Eignung der Reifen: s.o.
Fahrerprobung: Das Fahrzeug muss entweder im Slalom bzw. bei Kreisfahrt im Grenzbereich auf Lastwechselreaktionen überprüft werden. Ebenso der Geradeauslauf bei Höchstgeschwindigkeit nach Lastwechselreaktionen. Kosten dafür, werden nach Zeit gerechnet (grob 120€ pro Stunde) und ein entsprechendes Testgelände muss angemietet werden.
Nachweis des Tachos: Er muss mindestens VMAX des getunten Fahrzeuges anzeigen.
div. Kleinigkeiten wie z.B. Anhängelast (kein Witz), Erschwerung von Manipulation …
zusätzlich dazu bei Leistungssteigerung von mehr als 20% bis 40% Überwachung der Getriebeöltemperatur: Ein einfaches Instrument tut da not. ;-)
Schutzmaßnahmen gegen Abreißen der Kardanwellen: Z.B. durch verstärkte Kardanwelle oder Lager. Ebenso ist eine Einrichtung erforderlich die verhindert das die Kardanwelle beim Abreißen „abfällt“ bzw. Kontakt mit der Straße hat.
Prüfung der Bremse: Bremsleistung muss nach ECE R13 nachgewiesen werden. Sprich Bremsprüfung im Fahrversuch. Sieht grob so aus. Maximales Gewicht. Beschleunigen bis VMax, max. Verzögerung bis 20km/h dann wieder volle Beschleunigung bis VMax … etc.etc.
zusätzlich dazu bei Leistungssteigerung von mehr als 40%Nachweis der Dauerhaltbarkeit: Fahrzeug muss nach der Testdistanz noch uneingeschränkt betriebs- und verkehrssicher sein. Die Fahrerprobung findet bevorzugt auf folgenden Kursen statt. Nürburgring Nordschleife (2000km), Hockenheim Kurzanbindung (2000km) und Lausitzring (Testoval, 2000km). Natürlich können auch alternative Strecken gewählt werden so lange ein Nachweis über die höhere Belastung erfolgt.
Betriebsfestigkeit auf Basis des Serienfahrzeuges: Auf den oben genannten Part kann verzichtet werden wenn der Hersteller für diese Karosse für die entsprechende Leistung/Drehmomente frei gibt. Das ist in der Regel so wenn man von 316i auf M3 umrüstet. Dann müssen aber alle anderen Komponenten auch auf diesen Stand umgerüstet werden.
Bremsprüfung: s.o.
Hinweis:
Was bei
allen Leistungssteigerungen und Motorumbauten im Auge behalten werden muss sind natürlich zu zulässigen Achslasten. Deswegen musste ja der eine straßenzugelassene E30 V10 Umbau ja das komplette Fahrwerk an der VA neu entwerfen, berechnen und auslegen lassen.
DokumentationVon vielen vernachlässigt aber genauso wichtig. Für eine ordentliche Eintragung benötigt es eine gute Dokumentation. Es sollen alle Teile dokumentiert werden die verändert wurden und wie sie verändert wurden. Relevante Teile sind spezielle zu markieren mit Nummerierung o.ä. Bei Überspielung der Steuergeräte Software sollte eine Kopie auf CD/DVD der neuen Version beigelegt werden. Bei Steuergeräten der Schaltplan etc.
Kosten:
Wie ihr ja grob überschlagen könnte kommt da ordentlich was zusammen, nicht ohne Grund sind deswegen die Motorumbauten von großen Tunern so teuer. Diese müssen alle diese Nachweise erfüllen und noch mehr (Produktion von Serienteilen etc.). Sprich da sind mal ganz schnell mehrer 10.000€ weg um einen Umbau legal zu kriegen. Ein Beispiel Gutachten umfasst ca. 30 Seiten :-).
Kleine Randnotiz: Laut VdTÜV Merkblatt 751 aus dem Jahre 2008 darf der Abrollumfang nur kleiner/gleich 8% Abweichen von der originalen Bereifung.
Ich hoffe ich konnte euch ein wenig mehr Information näher bringen. Dafür hat es sich auch mal gelohnt 4 Stunden lang VdTÜV Blätter zu wälzen. Diese sind übrigens für jeder man frei zu erwerben. Kosten ca. 20€ das Stück.