Zitat:
@mb100
Aber wie erklärst du dir dann dass so viele Firmen in so kurzer Zeit insolvent gegangen sind?
Dass kann doch kein Zufall sein und ich rede jetzt auch nicht unbedingt von Müller Brot...
(Zitat von: Fresh Prinz)
Ursachen gibt es mehr als Sterne am Himmel. Paar Beispiele:
- "Chaos in der Buchhaltung" (ich mein jetzt damit natürlich "bevor sie ein Buchhalter in die Finger kriegt"; bei so mancher Buchhaltung muss ich erst mal Ordnung in das Fliegende-Zettel-mit-unvollständigen-Belegen-Chaos bringen, das ich bekomme)
- "falsche Investitionstätigkeiten" (viele Unternehmen melden nach großen Investitionen Insolvenzen an - oder tätigen bei ner drohenden Pleite nochmals richtig große Investitonen)
- "ein großer Kunde springt ab / wird insolvent / ein Auftrag geht flöten"
- "gezielte Insolvenz eines Teilbetriebs, um den Rest zu retten"
- "nicht mit der Zeit gegangen" (=> Stichwort: Internet; Beispiel v.a. Quelle)
- "zu rasche Expansion"
- Personalproblem (zu viel Personal => zu hohe Kosten; in "gesunden" Zeiten wird das Aussortieren schwer)
- "Verlust eines Verfahrens" (Stichwort: Haarmann-Hemmelrath)
- Produktpalette (aufgrund von Modeerscheinungen o.ä. wird die einstige alleinige Cash Cow nicht mehr gekauft)
- steigende Rohstoffpreise
- steigende Energiekosten (grad jetzt - und zwar alle)
- damit verbunden: fehlender Spielraum in der Kalkulation / mit Kunden festgelegte langfristige Preise, Problem v.a. bei Discountern und ihren Lieferanten
... und-so-weiter-und-so-fort.
Oftmals sind auch mehrere Ursachen gleichzeitig zu finden. Und das heutige Insolvenzrecht erleichtert auch den Gang zum Insolvenzrichter und ermöglicht auch einen einigermaßen gesunden Fortgang nach Abschluss des Verfahrens - wie Du im Bezug auf Schlecker ja auch anführst. Ist auch eines der Ziele des Insolvenzrechts.
Bei Schlecker wars für mich eigentlich nur ne Frage der Zeit; bzw. ich vermute, wenn Schlecker ne Kapitalgesellschaft wäre, hätte längst Insolvenz angemeldet werden müssen.
Die Probleme bei Schlecker waren in meinen Augen die zu vielen Geschäfte (also der Drang, überall präsent sein zu müssen; Beispiel: in meiner 12.000-Seelen-Stadt gabs zu den besten Zeiten drei Schlecker-Märkte), denen es allen an Attraktivität fehlt (geh mal in nen Schlecker bzw. erinner Dich daran, und geh dann in nen dm-Markt oder nen Rossmann) - und damit verbunden hohe Mietaufwendungen und natürlich hohe Personalkosten im Vergleich zu sinkenden Umsätzen. Auch der Kauf von IhrPlatz wurde entweder nicht gut genutzt oder hätte unterbleiben sollen; hat wahrscheinlich - wie damals Rover BMW - unterm Strich mehr Geld gekostet als eingebracht.
Spätestens mit der Übernahme von IhrPlatz hätte Schlecker bundesweit alles reorganisieren müssen, die Filialen "aussortieren" müssen (also unrentable weg), die restlichen Filialen auf nen ordentlichen Stand bringen müssen (und nicht nur das Firmenlogo) - was natürlich auch Folgen fürs Personal gehabt hätte. Zugegebenermaßen lässt sich vor allem die Personalpolitik in ner Insolvenz einfacher regeln als in "gesunden" bzw. "kränkelnden" Zeiten: wenn Du heut liest, dass ein Unternehmen, dem es augenscheinlich gut geht, mal eben 10.000 Leute auf die Straße setzt, is natürlich die Frage, ob Du dann da noch einkaufen gehst. Da würde ich dann (wegen drohender Zahlungsunfähigkeit) Insolvenz anmelden, das Unternehmen sanieren - und danach gehts gemütlich weiter.
Noch dazu lässt sich - aus arbeitsrechtlichen Gründen - in gesunden Zeiten Personal nicht so einfach aussortieren wie in Insolvenz-Zeiten. Die Kehrseite des Rufs nach immer mehr Kündigungsschutz.
Wie gesagt: man muss das heutige Insolvenzrecht auch als Chance auf ne Sanierung und nen Wiederanfang verstehen. Das tun inzwischen auch viele Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - und raten ihren Mandanten dann auch eher zu ner Insolvenz als beispielsweise noch vor zehn Jahren. Sicher auch, weil sie ggf. - falls sie trotz Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht zur Insolvenz geraten haben - in der Haftung stecken.
Ergänzend: heutzutage gehen Insolvenzen natürlich auch - dank diverser Krisen, Internet und Bild-RTL-Boulevard-Journalismus - eher an die Öffentlichkeit als noch vor zehn Jahren.
- aber wir schweifen ab -
Bearbeitet von: mb100 am 16.04.2012 um 17:49:15