Hi Leute,
hier nun meine überarbeitete, erweiterte und korrigierte Erklärung zum Schalten mit Zwischengas und Zwischenkuppeln bzw. zum Anbremsen und gleichzeitigem Herunterschalten mit Zwischengas/Zwischenkuppeln:
Stichworte:
Hacke-Spitze, Spitze-Hacke, Wippe, Heel and Toe Downshift, Zwischenkuppeln, Doppelkuppeln, Double clutching
Zum Start ein kleines Video:
Zwischengas zuerst ohne Zwischenkuppeln, dann mit Zwischenkuppeln:
Warum macht man es?
Was sind die technischen Hintergründe?
Wie geht es?
Und wie geht es NICHT (es gibt da wohl einige Missverständnisse)
Der Sinn ist:
1.) Die Synchronringe des Getriebes zu schonen
2.) Beim Wiedereinkuppeln im kleineren Gang kein plötzliches Bremsmoment vom Motor auf die Hinterräder zu bekommen (was im Extremfall zum Schleudern führen kann).
3.) Beim Schalten - insbesondere in der Anbremsphase - kann es nebenbei die Kupplung schonen.
Wir konzentrieren uns zuerst auf Punkt 1, die Synchronisation.
Zwischengas stammt eigentlich aus der Zeit, als es noch keine synchronisierten Getriebe gab. Gangräder waren gerade verzahnt und ein Gang ließ sich nur einlegen, wenn beide Zahnräder gleiche Drehzahl hatten und die Zähne ineinander gleiten konnten. Und auch dann ging es nur äußerst geräuschvoll......
Einschub: Gleiche Drehzahl ist insofern wohl korrekt, weil die Zahnradpaare jedes Ganges tatsächlich gleich groß sind und über diese zwei nebeneinanderliegenden Zahnräder eine Schaltmuffe (ein Ring mit innenliegender Verzahnung) darüber geschoben wird, um diese kraftschlüssig zu verbinden. Andernfalls wäre "gleiche Umfangsgeschwindigkeit" der richtige Begriff.
Schalten ohne Kupplung:
Ich erkläre es mal am Getriebe vom alten Käfer: Da konnte man durchaus ganz OHNE Kupplung schalten. (Eigentlich sollte das mit jedem Schaltgetriebe gehen, aber ob ihr das mit Eurem guten BMW ausprobieren wollt überlasse ich Eurer weisen Entscheidung. Ich persönlich habe es mit meinen BMWs nicht mehr gemacht.):
In den nächst höheren Gang zu schalten ist dabei nicht schwierig: Einfach 2. Gang rausziehen und 3. Gang rein drücken.
Warum geht das? Nun, im Getriebe ist die Drehzahl des Zahnrades auf der Hinterradseite ("Z-hi") fix vorgegeben vom Tempo des Autos. Die Drehzahl des Zahnrades auf Motorseite ("Z-mo") aber nicht. Bei gleichem Tempo bleibt die Drehzahl von Z-hi gleich. Wenn ich dabei vom 2. Gang in den 3. Gang schalte, dann fällt die Motordrehzahl ab (der Motor dreht im höheren Gang bei gleichem Tempo ja niedriger), also muss zum Gang einlegen auch Z-mo langsamer werden.
Man reißt also einfach den 2. Gang raus, (wartet ggf. einen kleinen Moment bis die Motordrehzahl etwa passt) und drückt sanft am Ganghebel in Richtung 3. Gang, der dann hineingleitet, wenn die Motordrehzahl weit genug abgefallen ist und zur Drehzahl von Z-hi paßt. Kapiert?
Wenn ich nun aber (wieder ohne Kupplung) in die andere Richtung schalten will, vom 3. Gang in den 2. Gang, dann müsste ich ja warten, bis die Motordrehzahl von selbst ansteigt. Das tut sie natürlich nicht!
Wie geht es dann? Den 3. Gang rausziehen. Jetzt hängt die Drehzahl von Z-mo nur von der Motordrehzahl ab. Wenn ich also Gas gebe, steigt auch die Drehzahl von Z-mo an (die verbindende Kupplung ist ja geschlossen).
Ich gebe jetzt also so viel Gas, dass der Motor etwas HÖHER dreht, als er im 2 Gang (in den ich schalten möchte) drehen müsste und nehme wieder Gas weg. Dann ziehe ich wie oben am Ganghebel Richtung 2. Gang. Zunächst dreht sich jetzt Z-mo etwas zu schnell (vor dem Gas geben war es dagegen zu langsam). Jetzt fällt die Drehzahl vom Motor wieder ab, und damit auch die Drehzahl von Z-mo. In dem Moment, wo Z-mo auf Niveau von Z-hi dreht, wird der 2. Gang hineingleiten.
Damit habe ich also in beide Richtungen geschaltet, ohne nur EINMAL die Kupplung zu benötigen.
Jetzt versteht man auch besser, warum man mit vielen sequenziellen Renngetrieben ohne Kupplung hochschalten kann (Gang reinreißen), aber zum Herunterschalten doch die Kupplung braucht.
Schalten mit Kupplung, Zwischengas und Zwischenkuppeln:
Jetzt aber zum normalen Schalten bzw. dem Schalten mit Zwischengas und Zwischenkuppeln (= Doppelkuppeln):
Da nimmt man schon die Kupplung, das entscheidende Problem der Drehzahlunterschiede der Zahnräder bleibt aber bestehen!
Denn wenn ich normalerweise vom 3. Gang in den 2. Gang schalte, dann muss auch beim modernsten Getriebe Z-mo hochbeschleunigt werden auf Niveau von Z-hi. Das machen hier die Synchronringe, die durch Reibung die Drehzahlunterschiede ausgleichen, also Z-mo beschleunigen. Das stresst diese bei 7000 U/min und schnellem Schalten natürlich mehr als bei 1500 U/min und langsamem Schalten.
Schalten mit Zwischengas ist also zunächst ein Trick zur Schonung der Synchronringe.
Ich erkläre zunächst die einfache Version ohne gleichzeitiges Bremsen:
Man tritt die Kupplung, nimmt den 3. Gang raus, lässt die Kupplung wieder los und gibt einen kurzen Gasstoß: Bei nun geschlossener (!) Kupplung beschleunigt der Motor Z-mo. Dann tritt man wieder die Kupplung, legt den 2. Gang ein und lässt die Kupplung kommen. Das war's!
Optimaler weise hatte man soviel Gas gegeben, dass die maximale Motordrehzahl beim Gasstoß etwas höher lag als die Drehzahl, die der Motor hinterher im 2. Gang drehen wird.
Achtung: Ohne dieses Zwischenkuppeln besteht keine Verbindung zwischen Motor und Z-mo, das Zwischengas wäre also zur Schonung der Synchronringe wirkungslos!
Motorbremsmoment vermeiden:
Nun zum zweiten Punkt, dem Vermeiden von plötzlichem Motorbremsmoment auf der Antriebsachse beim Herunterschalten, sehr wichtig im Motorsport! Den Punkt 3 (Schonung der Kupplung) nehmen wir gleich mit:
Wenn ich OHNE Zwischengas herunterschalte, dann können heute ja auch die Synchronringe die Drehzahlunterschiede im Getriebe ausgleichen: Z-mo ist auf die Geschwindigkeit von Z-hi beschleunigt, der Gang gleitet rein, die Kupplung ist aber noch offen. Wenn ich nun die Kupplung kommen lasse, dann verbinde ich das bereits korrekt schneller drehende Getriebe (Z-mo und Z-hi) mit dem noch zu langsam drehenden Motor. Dabei beschleunige ich plötzlich den Motor und bremse ebenso plötzlich den Antriebsstrang inklusive der Räder, und zwar so lange, bis die Drehzahlen beider Seiten zueinander passen.
Bei niedrigen Drehzahlen und kleinen Drehzahlsprüngen fällt das kaum auf. Bei hohen Drehzahlen mit entsprechend hohem Motorbremsmoment oder gar Zurückschalten über mehrere Gänge sind aber erhebliche Kräfte am Werk!
Dass dieser Drehzahlunterschied die Kupplung belastet ist bis auf etwas mehr Verschleiß fahrdynamisch noch unproblematisch.
Dagegen kann das plötzliche, hohe Motorbremsmoment auf der Antriebsachse insbesondere in Kurven, beim Anbremsen, bei wenig Grip, zum Haftungsabriss an der Hinterachse führen und damit zum Schleudern. Hier passiert ja genau das Gleiche, was ich beim Auslösen eines Drifts durch den Kupplungtrick absichtlich mache! Das aber gilt es beim sportlichen Fahren am Limit unbedingt zu vermeiden (so lange ich damit nicht bewusst einen Drift einleiten will).
Wenn ich nun aber mit Zwischengas herunterschalte, dann ist die Motordrehzahl ja schon erhöht, es tritt kein schlagartiges Motorbremsmoment mehr auf. Insbesondere bei eher langsamem Zurückschalten muss noch etwas Gas beim Einkuppeln angelegt werden, wenn in dem Moment nur minimales Motorbremsmoment tolerieren werden kann.
Gut, nun kann man dieses ganze Problem des Motorsbremsmomentes natürlich auch versuchen zu umgehen, indem man vor und während des Einkuppelns einfach dosiert mehr Gas anlegt. Das bewirkt zumindest für das Motorbremsmoment letztlich das Gleiche. Zumindest so lange man es richtig dosieren kann - was durchaus schwieriger ist!
Dumm nur, dass dies ja ausgerechnet beim heiklen Anbremsen vor Kurven nicht geht, denn da sind die beiden Füße ja schon mit Kupplung und Bremse beschäftigt! Wie will ich da noch gleichzeitig Gas geben?
Es hilft also nichts, wir müssen lernen, drei Pedale gleichzeitig mit zwei Füssen zu bedienen, um das Anbremsen mit Zwischengas kombinieren zu können - egal ob nun mit oder ohne Zwischenkuppeln.
Die Hacke-Spitze-Technik, eine Grundtechnik des sportlichen Autofahrens:
Wenn ich Zwischengas während des Anbremsens nutzen will, muss ich also Gas und Kupplung bedienen, während ich die ganze Zeit auf der Bremse stehe, also gleichzeitig 3 Pedale mit 2 Füßen bedienen. Und das geht so:
- Linker Fuß bedient Kupplung
- Rechter Fuß muss dauernd bremsen und gleichzeitig 1 - 2 mal das Gas bedienen.
Es gibt dafür drei Fußstellungen:
- Klassisch ist die Variante "Hacke-Spitze", bei der der Fuß mit dem Ballen auf der Bremse steht, während die Ferse nach links zum Gaspedal hin ausschwenkt und unten auf dem Gaspedal einen Gasstoß gibt. Insbesondere bei stehenden Pedalen und stehendem Gaspedal geht das sehr gut. Bzgl. des Gaspedales kann die Fußstellung nachträglich noch korrigiert werden ohne die Bremse zu lösen, nicht jedoch bzgl. der Bremse!
- In Rennsportwagen sind die Pedale oft so breit und stehen so dicht beieinander, dass der linke Teil des Fußballens auf der Bremse steht, und die rechte Fußkante durch Abkippen des Fußes das Gas bedient. Diese Stellung wird auch "Wippe" genannt.
Die erste und die zweite Technik gehen auch fließend ineinander über, je nach Form und Position der Pedale im Raum und zueinander und nach Größe der Füße.
- Ich persönlich verwende momentan eine dritte Variante: Dabei setzt man den Fuß recht hoch auf die Bremse, und zwar im Mittelfußbereich, aber schon so schräg, dass die Fußspitze bereits über dem Gaspedal steht. Dann tippt man das Gaspedal ganz oben mit der Fußspitze an. Ein nachträgliches Korrigieren der Fußposition ist hier gar nicht möglich, ohne den Bremsdruck zu lösen (daher nur üben, wenn man NICHT scharf anbremst!)
Leider muss jeder selbst probieren, was für Ihn in einem bestimmten Auto besser funktioniert. (Ein stehendes Gaspedal ist hier übrigens immer hilfreich). Ich zum Beispiel habe im Käfer mal die Technik 1 erlernt, dann beim BMW aber auf Technik 3 umgeschult.
Jetzt also die komplette Durchführung inklusive Zwischenkuppeln:
- rechter Fuß auf Bremse, DABEI:
- links Kupplung treten
- 3. Gang raus
- Kupplung kommen lassen
- Rechter Fuß gibt (während des Bremsen) nun einen Gasstoß
- links Kupplung treten
- 2. Gang rein
- (rechter Fuß fängt ggf. an DOSIERT wenig Gas anzulegen während...)
- ...linker Fuß die Kupplung kommen lässt.
Wir sind die ganze Zeit auf der Bremse.
Ohne Zwischenkuppeln wäre die Prozedur etwas kürzer:
- rechter Fuß auf Bremse, DABEI:
- links Kupplung treten
- 3. Gang raus
- Rechter Fuß gibt (während des Bremsen) nun einen Gasstoß
- 2. Gang rein
- (rechter Fuß fängt ggf. an DOSIERT wenig Gas anzulegen während...)
- ...linker Fuß die Kupplung kommen lässt.
Wir sind die ganze Zeit auf der Bremse.
Hier nochmals das Video von oben:
Zuerst 1 x ohne Zwischenkuppeln, dann 1 x mit Zwischenkuppeln!
Alles klar?
Ich weiß, das klingt erstmal sehr kompliziert. Mit etwas üben macht man es aber schnell so selbstverständlich und unterbewusst wie jeden anderen Gangwechsel auch.
Ich persönlich führe es eigentlich nie ohne Zwischenkuppel aus, denn das ist nun der geringste Teil der "Mühe".
ACHTUNG:
- Wer das Gas nicht dosiert, kann erst recht in heikle Situationen kommen.
- Das Gleich gilt aber vor allem, wenn man die Pedale nicht richtig trifft!!!
Hier ist also Üben angesagt!!!
Die populärsten Missverständnisse:
- Wenn man die Kupplung zwischendurch NICHT kommen lässt (also kein Zwischenkuppeln), dann besteht keine Verbindung zwischen Motor und Z-mo. Also würde ein Gasstoß für die Schonung der Synchronringe nichts bringen, nur für die Vermeidung des Motorschleppmoments.
- Zwischengas beim Hochschalten ist völlig sinnlos! Diese Technik macht nur beim Herunterschalten Sinn!
- Viele Leute meinen, solche antiquierten Fahrtechniken seien doch überflüssig bei der Qualität moderner Getriebe. Interessant dabei: Etliche moderne automatisierte Getriebe wie BMW SMG, Ferraris F1-Schaltung für Straßenwagen, die Selespeed-Box von Alfa etc. benutzen aber zum Herunterschalten einen Zwischengasstoß! Dabei machen die Hydraulikzylinder im Prinzip ganz exakt das oben beschriebene Prozedere durch. So verkehrt ist es wohl doch nicht.
Zwischengas ist auch recht nützlich bei Autos, bei denen der erste Gang nicht so gut synchronisiert ist. Mein Bruder spottete vor einigen Jahren mal, dass so etwas bei modernen Autos doch überflüssig sei. Dann bin ich mal in seinem Auto gefahren und habe beim Zurollen auf die Kreuzung den ersten Gang eingelegt: KRRRRKKKK !!!! Ja, meinte er dann, da müsste ich halt warten, bis der Wagen steht.
Tja - oder eben mit Zwischengas schalten!
Auch sehr schnelles Schalten ist nie gut für das Getriebe, denn wenn die Drehzahlen der beiden Zahnradpaare nicht passen gibt man den Synchronringen fast keine Zeit mehr, die Drehzahlunterschiede auszugleichen. Wobei es beim Zurückschalten während der Bremsphase fahrtechnisch ja gar nicht eilig ist - und man daher viel Zeit für den Ausgleich von Drehzahlunterschieden hat.
Im Motorsport gehört es auch heute noch zu den Standardtechniken (zumindest solange keine sequentiellen Schaltungen verbaut sind). Denn insbesondere das plötzliche Motorbremsmoment gilt es beim Fahren im Grenzbereich unbedingt zu vermeiden, um keinen Abflug zu provozieren.
Mir persönlich macht es außerdem einfach Spaß!
Das allein wäre für mich schon Grund genug!
BITTE: Probiert das nur dann aus, wenn ihr euch Fehler erlauben könnt!!!
Grüße
ChrisH
VIDEOS und LINKS:
Video 1 x ohne, 1 x mit Zwischenkuppeln!
Pedaltechnik 2 "Wippe" vorgeführt z.B. bei 3:55 min
Schalten ohne Kupplung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Synchronringhttp://de.wikipedia.org/wiki/Spitze-Hacke-Technikhttp://en.wikipedia.org/wiki/Heel-and-toehttp://en.wikipedia.org/wiki/Double_clutchBearbeitet von: ChrisH am 14.01.2012 um 22:56:09