Oft wird von spürbar schlechterer Beschleunigung beim Wechsel auf Breitreifen berichtet. Der erhöhte Rollwiderstand wird dabei als einer der Hauptursachen genannt. Aus dem Physik Unterricht ist allerdings bekannt, daß der Rollwiderstand allein von der Normalkraft und dem Rollwiderstandsbeiwert abhängig ist. Der letztere hängt jedoch nur von Oberflächenbeschaffenheit der beiden Körper. Die Größe der Kontaktfläche spielt dabei keine Rolle. Zunächst scheint die Erfahrung im Widerspruch zu bekanten und anerkannten Gesetzen zu stehen. Es ist also Grund genug sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Die Grundlage der hier vorgestellten Überlegungen bilden zwei Sommerreifen Test der Auto Motor und Sport Redaktion, welche in den 11/2009 und 07/2010 Ausgaben veröffentlicht wurden. Die dabei ermittelte Leistung zum Überwinden des Rollwiderstandes ist von der zentralen Bedeutung.
In dem ersten Test ermittelte man für die
205/55R16 (
inkl. das hier) Reifen eine Rollwiderstandsleistung von 0,94kW bis 1,23kW pro Rad bei 120km/h. Getestet wurde mit einem Golf 5 TS
I. Es wird vermutetet, daß es sich dabei um einen 140PS starken Golf handelt. Das Erkennungsemblem TS
I ist auf einem der Fotos zu sehen. Das Gewicht des Fahrzeuges variiert je nach Quelle zwischen 1262kg und 1316kg (
Quelle1,
Quelle2)
In dem zweiten Test wurden die
245/45R17 Reifen auf einem Mercedes E-Klasse getestet. Die gemessen Rollwiderstandsleistung lag zwischen 1,07kW und 1,40kW pro Rad bei 80km/h. Bei dem verwendeten Fahrzeug handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ein E500. Eine zweifutige Abgasanlage mit eckigen Endrohrblenden in Edelstahl ist ein sicheres Merkmal. Das Gewicht des Fahrzeuges liegt demnach bei 1830kg bzw. bei 1880kg für die 4MATIC Variante (Quelle:
Mercedes Website).
Damit die beiden Testergebnisse mit einander vergleichbar sind, wird aus den gemessenen Rollwiderstandsleistungen der entsprechende Rollwiderstandsbeiwert (C
R) ausgerechnet. Dazu wird die Gleichung der Rollwiderstandsleistung nach C
R umgestellt.
Anhand der ausgerechneten Rollwiderstandsbeiwerte vgl. Tabelle bzw. das Diagramm läßt es sich nicht schwer erkennen, daß die Rollwiderstandsleistung innerhalb einer Reifengröße größerer Schwankung unterworfen ist, als der Umstieg auf die breiteren Reifen. Hier darf noch hingewiesen werden, daß die Ergebnisse der Berechnung sich durchaus mit den Wikipedia-Angaben zu
Rollwiderstandsbeiwert decken.
So kann die Rollwiderstandsleistung bei 205er Reifen sich um bis zu ca. 31% erhöhen wenn man von dem rollwiderstandgünstigsten auf einen mit der maximal ermittelten Rollwiderstandsleistung Reifen wechselt. Der Umstieg von dem „schlechtesten" 205er auf "schlechtesten" 245er Reifen bedeutet dagegen eine Erhöhung des Rollwiderstandes um ca.18%. Nimmt man stattdessen den „besten“ 245er Reifen so sinkt der Rollwiderstand sogar um 10%. Damit ist gezeigt worden, daß die manchmal wahrnehmbare Verschlechterung der Beschleunigung nicht durch einen möglichen höheren Rollwiderstand des Breitreifens allein zu erklären ist. Außerdem würde bei dem Golf TSI selbst eine Verdoppelung des Rollwiderstandes zu maximal 5,6kW (5,4% der Motorleistung) mehr Verlustleistung führen und damit kaum Einfluß auf die Längsbeschleunigung haben dürfen.
Auf den Kraftstoffverbrauch hat die Verdoppelung des Rollwiderstand allerdings einen weitaus größeren Einfluß, zumindest bei Geschwindigkeiten mit geringerem Motorleistungsabruf. Bei 120km/h wird ein durchschnittlicher Golf etwa 22kW der Motorleistung benötigen um den Fahrtwiderstand zu überwinden. Eine Erhöhung des Fahrtwiderstandes um 5,6kW erfordert hier ca.25% mehr Motorleistung was zwangsläufig zu Erhöhung des Kraftstoffverbrauches führt.
Bearbeitet von: danha am 21.04.2010 um 01:00:25