Ventilspiel
Einstellen des Ventilspiels
(alle LC4-Modelle)
von Patrick A. Frigge
Vorwort
Diese Anleitung dient zur vervollständigenden Erläuterung der im KTM LC4 Motorreparatur-Handbuch dargestellten Anleitung zur Ventilspieleinstellung. Für die Richtigkeit der hier gemachten Angaben wird keinerlei Haftung übernommen. Im Zweifel haben die entsprechenden Stellen im KTM-Benutzerhandbuch des betreffenden Modelljahrgangs o. ä. unbedingten Vorrang vor allen hier gemachten Angaben.
Das Einstellen der Ventile ist einfach und kann von jedermann mit durchschnittlichen handwerklichen und technischen Grundkenntnissen durchgeführt werden.
Zeitbedarf
Der Zeitaufwand beträgt je nach Übungsstand ca. eine ¾ bis 1½ Std.
Werkzeug, Material
6er Innensechskant-Schlüssel
Ring-/Maulschlüsselsatz 6-10 mm
Steckschlüsselsatz mit Umschaltknarre, dto.
darüber hinaus:
11er Ringschlüssel, gekröpft
sehr kurzer 3er Schlitzschraubendreher, empfehlenswert abgewinkelter Schraubendreher (L-Form)
sehr langer 3er Schlitzschraubendreher
Fühlerlehren 0,10 mm, 0,15 mm, 0,20 mm. Hier bietet es sich an, für jede entsprechende Größe einzelne Fühlerlehren aus dem gut sortierten Kfz-Fachhandel zu verwenden, da die ausklappbaren "Fächer"-Sätze (Baumarkt, Tankstelle) vielfach zu kurz und schlecht zu handhaben sind.
Ventildeckeldichtung 2x
Dichtungsschaber
2-Pf-Stück
Einstellintervalle
Innerhalb welcher Kilometer-Intervalle muß das Ventilspiel am LC4-Motor eingestellt werden?
Laut Schmier- und Wartungstabelle von KTM sollte die Ventilspielkontrolle alle 5.000 km oder 1x jährlich durchgeführt werden, abweichend davon bei Sporteinsätzen nach jedem Rennen.
Grundsätzlich sind der Einsatzzweck und damit verbundene Belastung des Motors maßgeblich für die Einstellung des Ventilspiels. Weiterhin gilt natürlich auch hierbei: "Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig"
Festzuhalten ist, daß der Ventiltrieb an den LC4-Modellen sehr robust und standfest ist. Motorschäden, die auf fehlerhafte Ventilspieleinstellung zurückzuführen sind, sind daher eher die Ausnahme und alles andere als die Regel. Es spricht somit wenig dagegen, die beschriebenen Kilometer-Intervalle, wenn beispielsweise oft auf der Landstraße gefahren wurde, geringfügig zu verlängern, und erst recht nicht, diese nach verstärktem Geländeeinsatz zu verkürzen.
Falsch ist hingegen die nicht selten verbreitete Ansicht, man könne die Ventile doch allgemein bedarfsweise "nach Gehör" einstellen. Bei der Zylinderkopfbauform des LC4-Motors ([S]OHC mit gegabelten Rollenkipphebeln, siehe Bild 1) wird das Ventilspiel im Dauerbetrieb des Motors in der Regel kleiner, da sich die Ventile geringfügig in zunehmendem Maße in die Ventilsitze hineinarbeiten. Das berüchtigte Klappergeräusch im Bereich des Zylinderkopfes im Stand wird somit im Laufe der Zeit eher leiser anstatt lauter. Eine vernünftige Rückmeldung über das Ventilspiel wie etwa bei manchen Stoßstangen- oder Schlepphebelmotoren ist demzufolge "nach Gehör" unmöglich.
Vorarbeiten
Motorrad in relativ sauberer Umgebung abstellen.
Benzinhahn in Position "OFF" drehen.
Kolben auf oberen Totpunkt (OT) stellen.
LC4-Modelle bis Bj. 95 (ohne Autodekompression): bei ausgeschalteter Zündung den Kickstarter bis zum Kompressionswiderstand betätigen.
LC4-Modelle ab Bj. 95 (mit Autodekompression): Deko-Hebel (am Lenker linke Seite) ziehen. Kickstarter solange langsam betätigen, bis der Hebel zurückschnappt.
LC4-Modelle ab Bj. 97 (mit Autodekonockenwelle): Motor mit dem Kickstarter solange durchkurbeln, bis die Dekompressornocke ausrastet (zur Erkennen am deutlich hörbaren "Klick" aus dem Ventiltrieb).
Sitzbank abbauen.
Benzinleitung zum Vergaser entfernen, dann Tank abbauen.
Zündkerze herausschrauben.
Beide Ventildeckel durch Entfernen der jeweils drei Innensechskantschrauben (SW 6) entfernen
Spätestens an dieser Stelle ist man nun zu der Erkenntnis gelangt, daß der Ventiltrieb auslaßseitig relativ schwer zugänglich ist, verglichen mit einem Gilera RC 600-Motor ist die Ventilspieleinstellung also ein "Spaziergang".
An dieser Stelle gibt es nun prinzipiell vier Möglichkeiten fortzufahren:
Männer mit eher zierlichen Händen (Frauen): Auslaßventildeckel am Deko-Zug hängen lassen und beiseite drehen.
Schrauber mit normalen Händen: Dekozug aushängen (empfohlen), Ventildeckel entfernen.
Leute mit Wurstfingern, großen Händen und/oder wenig Geduld (wie der Autor): zusätzlich Deko-Welle ausbauen (Einbaulage und -reihenfolge beachten).
Menschen mit extrem großen Fingern und Grobmotoriker: Motor ausbauen...
Dichtungsreste mit Dichtungsschaber o.ä. entfernen
Fünften Gang einlegen
Mit 2-Pf-Stück auf der rechten Motorseite den Verschlußstopfen am Zündungsdeckel entfernen.
Nun müssen durch Drehen des Hinterrades die durch die Gewindebohrung sichtbaren Markierungen an Rotor und Stator in Deckung gebracht werden. Zu beachten ist hierbei:
bei Modellen mit automatischer Dekompressionseinrichtung ist das Hinterrad in jedem Falle nur rückwärts, d.h. entgegen der Fahrtrichtung, zu drehen, da die Fliehkraftmechanik ansonsten ein Ventil aushebt, sprich den Zylinder "dekomprimiert".
bei 620er / 640er Motoren müssen die 2mm Bohrung auf dem Rotor und die Kerbe auf dem Stator zueinander fluchten.
400er Motoren benötigen weniger (statische) Vorzündung: aus diesem Grund sind bei diesen Motoren die beiden Kerben auf Rotor und Stator in Deckung zu bringen.
In dieser Stellung befindet sich der Kolben nun in der Zünd-OT-Position, vorausgesetzt, Schritt 3 wurde durchgeführt. Ist dies nicht der Fall (Kolben im Gaswechsel-OT), ist die Kurbelwelle durch Wiederholen der Schritte 12-15 um weitere 360° zu drehen.
Um ein unbeabsichtigtes Weiterdrehen der Kurbelwelle zu vermeiden, kann (muß aber nicht) die Kurbelwelle fixiert werden. In der Kurbelwange der linken KW-Hälfte ist zu diesem Zweck eine Zentrierbohrung vorgesehen. Hierzu die Innensechskantschraube (SW 6) an der linken Motorunterseite herausschrauben (Achtung, Öl tritt aus), Beilagscheibe entfernen und die Schraube vorsichtig wieder einschrauben.
Ventilspielkontrolle
Ob man das Ventilspiel lieber kontrolliert oder sofort mit der Einstellung beginnt (falls nötig), bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Da aber speziell an der Auslaßseite die Kontrolle des Ventilspiels recht zeitintensiv ist, da die Fühlerlehren der Stärke nach in absteigender Reihenfolge zwischen jedes Ventil nebst dazugehörigen Kipphebel geführt werden müssen, bietet es sich nach Meinung des Autors an, die Ventilspielkontrolle zu überspringen und die Ventile gleich einzustellen.
Wieviel Spiel?
Die Abbildungen 1 und 2 zeigen, in welcher Weise (und an welcher Stelle) die Fühlerlehre zwischen Ventil und Kipphebel zu führen ist.
Das Ventilspiel beträgt bei den meisten LC4-Motoren je 0,10 mm für Einlaß- und Auslaßventile. Sportfahrer, die den Motor extrem belasten, stellen die Ventile jedoch vor allem an der Auslaßseite mit bis zu 0,20 mm und mehr Ventilspiel ein.
Fazit: Mit 0,15 mm Spiel an Einlaß- und Auslaßventil an allen LC4-Modellen kann nichts falsch gemacht werden.
Ventilspiel einstellen
Die Kontermuttern (SW 11) mit gekröpftem Ringschlüssel jeweils ¼-Umdrehung lösen. Die Einlaßseite kann mit Hilfe eines langen 3er Schlitzschraubendrehers recht schnell eingestellt werden, für die Auslaßventile ist ein sehr kurzer oder abgewinkelter Schraubendreher in Verbindung mit etwas Fingerspitzengefühl vonnöten.
Zunächst sind die Ventileinstellschrauben soweit zu lösen, bis sich die Fühlerlehre leicht einschieben läßt. Dann die Ventileinstellschraube soweit einschrauben, bis sich die Lehre nur noch gegen spürbaren Widerstand hin- und herbewegen läßt. Die Kontermutter mit 20 Nm festziehen, wobei darauf zu achten ist, daß sich die Einstellschraube nicht mitdreht. Die Lehre außerdem nicht einklemmen - sie verformt sich und wird unpräzise. Den Widerstand, der nun nach Festziehen der Kontermutter beim Hin- und Herbewegen (Herausziehen) der Fühlerlehre spürbar sein sollte, gilt es sich einzuprägen, um die Ventileinstellung an den übrigen Ventilen zu reproduzieren. Ein Spritzer Motoröl auf der Spitze der Fühlerlehre gewährleistet, daß die Lehre nicht an einem der Ventile "hängen bleibt".
Ein Ventil gilt als lehrbuchmäßig eingestellt, wenn der Ölfilm nach Herausziehen der Einstellehre am Ventil abgestreift ist, sicherlich kann man es aber auch übertreiben.
Nacharbeiten
Dichtflächen an Zylinderkopfoberteil und Ventildeckeln reinigen (Waschbenzin!), dann neue Ventildeckeldichtungen (ggf. leicht eingeölt bzw. mit Silikonfett bestrichen) mit der bedruckten Seite nach oben auflegen. Die Ventildeckelschrauben werden mit 20 Nm Anzugsdrehmoment festgezogen.
Motorrad in umgekehrter Reihenfolge wie oben beschrieben zusammenbauen.
Gute Fahrt!