Mitglied seit: 18.08.2006
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Für die Nachwelt, ein wenig Text (hab's reinkopiert, da der Link evtl. nicht von dauer ist):
1. Einführung
2. Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten
a) Grundsatz
b) Voraussetzungen der Gutgläubigkeit
c) Ausnahme vom Schutz des guten Glaubens gemäß § 935 BGB
d) Besonderheiten beim Kfz
e) Exkurs: Schutz des guten Glaubens beim Erwerb von Neufahrzeugen und Gebrauchtwagen
f) Der Kfz-Brief als Legitimationspapier im Sinne des § 952 BGB
3. In der Praxis
1. Einführung
Entgegen eines weit verbreiteten Irrtums sagt der Fahrzeugbrief nichts über die Eigentumsverhältnisse aus; d.h. der Eigentümer ist nicht immer auch im Kfz-Brief eingetragen. Der wahre Eigentümer hat jedoch einen Anspruch auf Aushändigung des Briefes und Eintragung. Derjenige, der im Kfz-Brief eingetragen ist, ohne Eigentümer des Kfz zu sein, wird hingegen allein durch diese Falscheintragung nicht automatisch Eigentümer des Kfz.
Eigentümer ist allein derjenige, dem das Kfz übereignet wurde. Diese Eigentumsübertragung muss unabhängig von einem möglichen Kaufvertrag oder Schenkungsvertrag gesehen werden. Ein solcher schuldrechtlicher Vertrag bildet zwar meist die Grundlage der Übereignung, trotzdem muss juristisch zwischen Verpflichtungsgeschäft (z. B. Kaufvertrag gemäß § 433 BGB oder Schenkung gemäß § 516 BGB) und Verfügungsgeschäft (Eigentumsübertragung gemäß §§ 929 ff BGB) getrennt werden (Abstraktionsprinzip).
Eigentum wird normalerweise durch Einigung und tatsächliche Übergabe der Sache vom früheren Eigentümer an den neuen Erwerber übertragen (§ 929 S.1 BGB). Eigentümer an einem Kfz wird demnach nur derjenige, der sich mit dem früheren Eigentümer geeinigt hat und dem das Kfz übergeben wurde. Der Käufer eines Kfz kann also nur Eigentum erwerben, wenn der Eigentümer ihm dies selbst oder durch einen Dritten (Besitzdiener, Besitzmittler oder Geheißperson) überträgt. Der Brief hat auch keine unmittelbare Funktion im Veräußerungsvorgang, d.h. die Übergabe des Kfz-Briefs ersetzt nicht tatsächliche Übergabe des Kfz (Schlechtriem, NJW 1970 S.2088 (2091)).Der Kfz-Brief ist jedoch ein Indiz dafür, dass derjenige, der im Kfz-Brief eingetragen ist auch Eigentümer des Kfz ist. Auf dieses Indiz darf der Erwerber im Regelfall vertrauen.
Der Kfz-Brief spielt daher bei der Veräußerung des Kfz für Nachweis und Sicherung des Eigentums eine wichtige Rolle. Er ermöglicht den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S.1, 932 Abs.1 BGB.
2. Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten
Gemäß § 932 BGB wird durch eine nach § 929 BGB erfolgte Veräußerung der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist.
a) Grundsatz
Normalerweise kann gemäß § 929 S.1 BGB nur der Eigentümer das Eigentum an einer Sache übertragen, da nur er verfügungsbefugt ist. Dies geschieht durch Einigung und Übergabe.
Überträgt ein Nichteigentümer das Eigentum an einen anderen, kann der Erwerber nach § 932 Abs.1 BGB auch dann Eigentümer werden, wenn er gutgläubig annehmen durfte, dass der Veräußerer Eigentümer war. Grund hierfür ist der Schutz des Rechtsverkehrs; es soll derjenige geschützt werden, der darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte, dass er sich „mit dem Richtigen“ (also dem wahren Eigentümer) einlässt. Nach § 932 Abs.2 BGB ist der Erwerber jedoch nicht geschützt, wenn ihm bekannt oder infolge grob fahrlässiger Unkenntnis unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Wer also sorglos handelt, muss die möglichen Konsequenzen (Scheitern des Eigentumserwerbs) in Kauf nehmen.
Das Gesetz ist damit im Ausgangspunkt erwerberfreundlich. § 932 BGB bringt zum Ausdruck, dass der Schutz des Rechtsverkehrs grundsätzlich wichtiger ist als der Eigentümerschutz. Der Schutz des Eigentums verdrängt den Verkehrsschutz lediglich in Fällen, in denen es nicht sachgerecht erscheint, den Erwerber zu schützen.
b) Voraussetzungen der Gutgläubigkeit
§ 932 Abs.1 BGB geht zunächst davon aus, dass der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum des Veräußerers vorliegt (Wortlaut: „es sei denn, dass er […] nicht in gutem Glauben ist“). Die Gutgläubigkeit wird mithin indiziert.
Bei beweglichen Sachen darf man gemäß § 1006 BGB davon ausgehen, dass derjenige, der eine Sache besitzt, auch Eigentümer der Sache ist.
Besitz und Eigentum werden im alltäglichen Sprachgebrauch häufig verwechselt bzw. alternativ verwendet. Besitz meint jedoch lediglich die tatsächliche Sachherrschaft einer Person über eine Sache (Creifelds Rechtswörterbuch 15. Auflage 1999, Stichwort „Besitz“). Wer die Sache „in den Händen hält“ ist Besitzer im Sinne der §§ 854 ff BGB. Eigentümer hingegen ist, wer das umfassende dingliche Recht an einer Sache hat (Creifelds Rechtswörterbuch 15. Auflage 1999, Stichwort „Eigentum“). Eigentum beschreibt damit die rechtliche Zuordnung einer Sache zu einer Person, § 903 BGB.
Aufgrund dieser Eigentumsvermutung des § 1006 BGB muss der Erwerber zum Erwerb der Sache keine weiteren Nachforschungen anstellen hinsichtlich der Frage, ob der Veräußerer der Sache auch tatsächlich der Eigentümer des Veräußerungsgegenstandes ist. Gerade bei beweglichen Sachen wird der Rechtverkehr somit erleichtert und gesichert (Rödel/Hembach Handbuch Autorecht, 1.Auflage 2001 S.192).
Wird der Erwerber aufgrund seiner schützenswerten Gutgläubigkeit and das Eigentum des Veräußerers neuer Eigentümer, verliert der ursprüngliche Eigentümer sein Eigentum. Sachlich gerechtfertigt wird dies mit dem Veranlassungs- oder Vertrauensprinzip. Wer sein Eigentum einem anderen anvertraut, muss selbst überprüfen, ob diese Person zuverlässig ist und die Sache nicht unberechtigt veräußert. Jedenfalls kann der Eigentümer die Vertrauenswürdigkeit von Personen, denen er sein Eigentum anvertraut, ganz allgemein leichter überprüfen als der Erwerber die Berechtigung seines Veräußerers zum Verkauf der Sache.
c) Ausnahme vom Schutz des guten Glaubens gemäß § 935 BGB
Entsprechend des Veranlassungs- und Vertrauensprinzips hat der Gesetzgeber den gutgläubigen Erwerb von abhanden gekommenen Sachen gemäß § 935 BGB ausgeschlossen. Abhanden gekommen ist eine Sache, wenn sie dem unmittelbaren Besitzer (§ 854 Abs.1 BGB) unfreiwillig entzogen wurde, d.h. ihm gestohlen wurde oder er sie verloren hat. Das Vertrauensprinzip greift bei gestohlenen oder verloren gegangenen Sachen nämlich gerade nicht. Es kann nicht zu Lasten des Eigentümers gehen, wenn ein Dieb die gestohlene Sache weiterverkauft, da der Eigentümer in diesem Fall die Zuverlässigkeit des jetzigen Besitzers der Sache gerade nicht überprüfen konnte. Hier kann der Erwerber aufgrund des § 935 nicht Eigentümer werden.
Der gutgläubige Erwerb kommt demnach nur dann in Betracht, wenn der Eigentümer und unmittelbare Besitzer die Sache freiwillig aus der Hand gegeben hat.
Beispiel 1: A leiht B ein Buch. B verkauft das Buch an C.
Da das Buch im unmittelbaren Besitz des B war, durfte C darauf vertrauen, dass B auch Eigentümer war. Obwohl eigentlich A Eigentümer des Buches war, hat C gutgläubig Eigentum am Buch gemäß §§ 929 S.1, 932 BGB erworben. A hat das Buch B freiwillig überlassen und anvertraut, obwohl B nicht vertrauenswürdig war.
Beispiel 2: B bricht bei A ein und stiehlt das Buch. B verkauft das Buch an C.
Obwohl das Buch im unmittelbaren Besitz des B war und C damit grundsätzlich darauf vertrauen durfte, dass B auch Eigentümer war, scheitert ein gutgläubiger Erwerb des C an § 935 BGB. A hat das Buch nicht freiwillig aus der Hand gegeben.
d) Besonderheiten beim Kfz
Beim Erwerb eines Kfz gilt die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nicht uneingeschränkt. Das Gesetz lässt beim Kfz den Schluss vom Besitz auf das Eigentum gerade nicht zu. Dementsprechend genügt es für den gutgläubigen Erwerb nicht, dass der nichtberechtigte Veräußerer im Besitz des Kfz ist. Um gutgläubig Eigentum vom Nichtberechtigten zu erwerben, muss der Erwerber mehr tun.
Da der Kfz-Brief ein Indiz für die Eigentumsverhältnisse ist, muss der Erwerber sich durch Vorlage des Kfz-Briefs davon überzeugen, dass der Veräußerer im Kfz-Brief steht. Zwar kommt dann immer noch die Möglichkeit in Betracht, dass der Veräußerer trotz der Eintragung im Kfz-Brief nicht Eigentümer ist (dann handelt es sich um eine Falscheintragung), jedoch hat der Erwerber dann alles getan, was unter normalen Umständen von ihm verlangt werden kann. Er ist gutgläubig und damit schützenswert. Er kann deshalb auch vom Nichteigentümer Eigentum erwerben.
Stellt der Erwerber bei Vorlage des Kfz-Briefes fest, dass der Veräußerer nicht im Kfz-Brief eingetragen ist und ist der Veräußerer auch nicht Eigentümer, scheidet ein gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S.1, 932 BGB aus. Das Gleiche gilt, wenn der Erwerber sich den Kfz-Brief gar nicht vorlegen lässt. Laut den Erwägungen des BGH muss es Argwohn beim Erwerber erwecken und ihn zu weiteren Nachforschungen Anlass geben, wenn der Veräußerer entweder den Kfz-Brief nicht vorlegen kann oder derjenige, der im Kfz-Brief steht nicht mit dem Veräußerer übereinstimmt (BGH NJW 1994, 2023). Der Erwerber ist in diesem Fall bösgläubig in Bezug auf die Berechtigung des Veräußerers zur Eigentumsübertragung. Er muss das Kfz an den wahren Eigentümer zurückgeben und kann lediglich Schadensersatzansprüche gegen den unberechtigten Veräußerer geltend machen.
Je nach Situation muss der Erwerber demnach weitere Nachforschungen anstellen, um darauf vertrauen zu dürfen, dass der Veräußerer Eigentümer des Kfz ist oder zur Veräußerung per Gesetz oder Rechtsgeschäft berechtigt ist. Unterlässt er dies, ist er nicht schützenswert. Die Prüfung des Kfz-Briefes ist damit nur eine Mindestvoraussetzung.
e) Exkurs: Schutz des guten Glaubens beim Erwerb von Neufahrzeugen und Gebrauchtwagen
Die Rechtsprechung unterscheidet hinsichtlich der Mindestvoraussetzungen für gutgläubigen Erwerb in diesem Zusammenhang zwischen dem Erwerb eines Neufahrzeugs von einem Vertragshändler und dem Erwerb eines Gebrauchtwagens aus privater Hand.
(1) Anforderungen beim Erwerb eines Neufahrzeugs
Beim Erwerb eines Neufahrzeugs von einem Vertragshändler sind an die Gutgläubigkeit des Käufers keine strengen Anforderungen zu stellen. In diesem Fall kann die Gutgläubigkeit sogar dann vorliegen, wenn der Käufer sich den Kfz-Brief nicht vorlegen oder aushändigen lässt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Auflage 1996 S. 136; Rödel/Hembach Handbuch Autorecht, 1. Auflage 2001 S.84). Das Fehlen des Kfz-Briefes ist in diesem Fall nichts Ungewöhnliches, z.B. wenn der Kfz-Brief noch ausgefertigt werden muss (BGH 21.9.1959 BGHZ 30 S. 374/380). Der Rechtsverkehr darf darauf vertrauen, dass der Händler, der das Fahrzeug im Besitz hat und es gegen vollständige Zahlung aus der Hand gibt, entweder Eigentümer des Fahrzeugs ist oder zur Eigentumsübertragung vom Hersteller oder Importeur ermächtigt ist (OLG Hamm 13.1.1964 NJW 1964 S.2257; OLG Düsseldorf 16.5.1990 VuR 1991 S.241). Eine Nachforschungs- und Erkundigungspflicht besteht lediglich, wenn besondere Umstände vorliegen.
(2) Anforderungen beim Erwerb eines Gebrauchtwagens
Der Käufer eines gebrauchten Kfz ist beim Erwerb vom Nichtberechtigten nur dann gutgläubig, wenn er sich bei der Übereignung den zum Wagen gehörenden Kfz-Brief aushändigen lässt und sich gegebenenfalls, sofern besondere Umstände vorliegen, die bei ihm Verdacht erregen müssen, bei dem zuletzt eingetragenen Fahrzeughalter nach den bestehenden Eigentumsverhältnissen erkundigt. In der Regel handelt schon derjenige, der sich den Kfz-Brief nicht vorzeigen bzw. aushändigen lässt, grob fahrlässig im Sinne des § 932 Abs.2 BGB (Rödel/Hembach, Handbuch Autorecht S.193 Rn. 366). Bestehen Zweifel hinsichtlich der Berechtigung des Veräußerers, hat der Erwerber neben der Aufforderung zur Vorlage des Kfz-Briefes weitere Nachforschungen anzustellen. Die Vorlage und Prüfung des Kfz-Briefes ist damit nur eine Mindestvoraussetzung. Da es gerade beim Gebrauchtwagenkauf häufig zu Unregelmäßigkeiten kommt, ist hinsichtlich dieser Erkundigungspflicht ein strenger Maßstab anzulegen. Eine solche Erkundigungspflicht kann sich schon aus dem Umstand ergeben, dass der Kaufpreis ungewöhnlich niedrig ist (BGH NJW 1994, 2022). In jedem Fall hat der Erwerber weitere Nachforschungen anzustellen, wenn der Veräußerer nicht im Kfz-Brief eingetragen ist. Die Anforderungen an den guten Glauben des Käufers sind damit beim Gebrauchtwagenkauf höher als beim Kauf eines Neuwagens.
Dass die Anforderungen an den guten Glauben des Käufers beim Erwerb im Gebrauchtwagenhandel oder aus privater Hand von der Rechtsprechung höher angesetzt werden als beim Neuwagengeschäft, hat einen guten Grund: Beim Erwerb gebrauchter Fahrzeuge ist immer damit zu rechnen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist oder zur Eigentumsübertragung nicht berechtigt ist.
f) Der Kfz-Brief als Legitimationspapier im Sinne des § 952 BGB
Der Kfz-Brief ist nur ein Hilfspapier. Die Rechtsprechung hat allerdings das sachenrechtliche Schicksal von Fahrzeug und Papier als derart miteinander verbunden gesehen, dass § 952 BGB entsprechend anwendbar ist (Palandt – Bassenge § 952 Rn 7). Hier gilt der Grundsatz: „Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier.“ Das bedeutet, dass derjenige, der tatsächlich Eigentümer des Kfz ist, ein Recht am Kfz-Brief hat. Der Erwerber hat ein Recht auf Übergabe des Kfz-Briefes und Eintragung seiner Person im Brief. Er hat daher den Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefs gemäß § 985 BGB gegen den Besitzer des Briefes. Derjenige, der im Kfz-Brief steht, hat jedoch kein Eigentumsrecht am Kfz.
Es ist daher zu unterscheiden zwischen:
1. dem Eigentumsrecht an der Sache (Kfz) und
2. dem Recht auf Aushändigung des Briefes und Eintragung.
Nur derjenige, der das Recht aus (1) hat, hat auch das Recht aus (2). Das Recht aus (1) bestimmt sich allein nach den §§ 929, 932 BGB und nicht nach dem Recht aus (2).
3. In der Praxis
Im gerichtlichen Verfahren muss die Richtigkeit des Kfz-Briefes aufgrund der Indizwirkung nicht bewiesen werden. Diese Vermutung kann jedoch durch Beweise widerlegt werden, wenn der Schuldner, obwohl er im Kfz-Brief eingetragen ist, nicht Eigentümer ist.
Da der gute Glaube des Erwerbers an das Eigentum des Veräußerers gemäß § 932 Abs.1 BGB ebenfalls indiziert wird, muss auch diese Vermutung bei einem Erwerb vom Nichtberechtigten durch entsprechende Beweise widerlegt werden.