Hi, das folgende habe ich in der Süddeutschen gefunden - fand das herrlich zu lesen:
Elfer raus
Warum es nicht unbedingt ein Porsche sein muss / Unterwegs mit dem BMW 335i Coupé
Das Leben ist ungerecht. Früher, als die Straßen leer waren, hatten wir kein Geld für ein schnelles Auto. Heute versteht man sich zwar mit seiner Bank (soso lala), dafür fahren auf der Autobahn alle mit 110 km/h auf der linken Seite und auf der Landstraße lauert hinter jedem Baum eine scharfe Radarpistole. Irgendwie ist man immer zu spät.
Vielleicht ist es einfach Zeit, sich von seinen Träumen zu verabschieden oder zumindest andere zu träumen. Immer wollten wir einen Elfer. Unbedingt. Aber was soll das Ganze, wenn man ihn heute doch kaum noch ausfahren kann? Dann ist er zu hart, zu laut, zu eng. Also lieber gleich Komfort, ein bisschen Wohlfühlen auf der Reise und es auch mal locker angehen lassen. Und trotzdem will man natürlich ordentlich Krawumm unter der Haube. Denn, klar, der Mensch lebt nicht vom Spaß allein. Hat Kinder und Frau. Oder den ersten Ansatz von Bandscheibenschaden. Denkt auch schon mal an die Rente.
In diesen späten Jammer bricht wie ein Sonnenstrahl das Coupé in unseren Lebensplan. Dass es aber ausgerechnet der BMW Dreier sein würde, damit hatten wir nicht mehr gerechnet - nach dem Design-Tiefschlag bei Limousine und Kombi, der uns um ein Haar die Liebe zur ganzen Marke gekostet hätte. Und jetzt dieses Coupé: eine Linie, ein Guss - elegant, geduckt, geschmeidig. Und vor allem dieser Motor! 306 PS, maximal 400 Newtonmeter Drehmoment schon bei 1300 Umdrehungen bis hinauf zum roten Bereich, der bei 7000/min warnend aufschreit. 5,5 Sekunden, wenn es sein muss, auf Tempo 100.
Doch grau, mein Freund, ist alle Theorie. Leuchtend gelb dagegen glüht das spätherbstliche Laub über der Strecke vom Sylvensteinsee in Richtung Süden hinauf bis Hinterriß, das Inntal kann man dort fast schon riechen. Eine Straße wie gemacht für dieses Auto: rhythmische Radien, ein Schwung fällt ohne Zaudern harmonisch in den nächsten. Mal dritter, mal vierter Gang von Sechsen, der Hebel gleitet wie von selbst durch die Kulisse, mittlere bis hohe Drehzahl, spontane Antwort auf jede Nuance des Gaspedals. Dazu seidiger Klang mit Bass-Akzenten und angriffslustigem Grollen unter Last jenseits der 5000 Touren. Sagenhafte Verzögerung vor der nächsten Biegung. Das Fahrwerk? Die Ruhe selbst. Federn und Dämpfer? Verstehen sich blind wie ein altes Paar, das nach 40 Jahren Ehe immer noch händchenhaltend zum Einkaufen geht. Perfekte Balance der Seelen. Die Lenkung: ein Muster an präziser, unaufgeregter Direktion. Sie ist dienstbar bis zur Demut und teilt dem Fahrer bereitwillig mit, was die Straße zu sagen hat. Und im Hintergrund halten wie immer die elektronischen Zwerge kichernd Wacht, kontrollieren den Antriebsschlupf, regeln flink die Stabilität und optimieren die Leistungsfähigkeit der Bremse bei Nässe und in Kurven.
Ansonsten ist BMW zu beschreiben, wie immer müßig. Diese sehr spezielle Art mechanischer Verbindlichkeit, geschmeidig im Auftritt, klar und bestimmt, ohne die glasige Härte modisch bemühter Sportlichkeit. Straff aber kein Rückenkiller. Und innen hat man Gott sei Dank den vorübergehend irritierenden Irrweg in die Verwendung zweitklassigen Materials ebenso beendet wie außen den polarisierenden Verschnitt.
Das Coupé besitzt ein beträchtliches Talent zum praktischen Leben - ordentlich Kofferraum (430 Liter) samt umklappbarer Rücklehne, nach hinten lässt sich relativ kommod einsteigen und sitzt dann richtig gut. Und die elektrische Gurtzuführung kaschiert mit stiller Diskretion jenen Mangel an Gelenkigkeit, der uns mit jedem Lebensjahr schmerzlicher befällt. Nur die Sitze hätte man besser etwas breiter gehalten, so zwicken und zwacken die Lehnen immer ein wenig und lassen nicht den leisesten Zweifel aufkommen, dass bei Männern die kritischen Zonen in der Regel knapp oberhalb der Hüfte liegen.
Rückfahrt über den Achenpass, Tanken am Tegernsee. 11,3 Liter besten Oktan-Saft nimmt sich der gewichtsoptimierte Reihen-Sechszylinder, das sind zwar knapp zwei Liter mehr als die Werksangabe, aber kein einziger zu viel für dieses Niveau der Motorenbaukunst. BMW hat den bekannten Reihensechser mit drei Liter Hubraum nach 20 Jahren Turbo-Abstinenz gleich mit zwei kleinen Ladern versehen, die jeweils drei Zylinder beatmen, superschnell hochdrehen und damit das Ansprechverhalten derart beflügeln, dass man meint, man habe es mit einem Saugmotor zu tun. Ergänzt im Sinne zeitgemäßer Leistungskultur wird das Lader-Duo von einer weiterentwickelten Benzineinspritzung. Neuartige Piezo-Injektoren sorgen für gleichmäßige und exakt dosierte Brennstoffzufuhr und damit für besseren Wirkungsgrad.
Und während wir noch über solche Feinheiten sinnend gen München nach Hause rollen, prüfen wir im Geist schon mal den Kontostand. Träumen, heißt es, wird ja erlaubt sein.Jörg Reichle
BMW 335i Coupé: 225 kW (306 PS); max. Drehmoment: 400 Nm bei 1300 bis 7000/min; 0-100 km/h: 5,5 s (Automatik: 5,7 s); Vmax: 250 km/h (abgeregelt); Testverbrauch: 11,3 l Super Plus; EU4; Kofferraum: 430 l; Grundpreis: 43 200 Euro (Automatik: 45 300 Euro).