Es war der 07.06.2010 um ca 2245Uhr als ich mit meiner liebsten Frau zu Hause auf der Couch
gesessen habe. Grade war der Film "The Happening" mit Mark Wahlberg zu Ende gegangen, worauf ich zu Nadja sagte: "Jetzt müssen wir aber noch "Running Man" schauen, der danach kam, sonst mache ich die ganze Nacht kein Auge zu. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht das sich dieser Satz bewahrheiten würde, wenn auch nicht aufgrund des Filmes. Ich widmete mich einen Moment meiner kleinen Amelie, die zwei Tage später ihren errechneten Geburtstermin hatte, und redete sie durch Nadjas Bauch an: „Amelie mein Krümelchen, wir würden uns freuen wenn du langsam mal da raus kämst. Wir freuen uns doch schon so auf dich!“. Ich stand auf und ging Richtung Küche um mir was zu Trinken zu holen, als ich aus dem Wohnzimmer auf einmal hörte „Aaau, was war das denn jetzt?!“ Eine Minute später stand ich mit dem Handtuch vor meiner Frau, die Fruchtblase war geplatzt. Amelie hatte das erste Mal auf mich gehört...
10 Minuten später, als dann die restlichen Sachen für die Klinik gepackt waren, ging es raus zum Auto. Schon das Einsteigen ins Auto ging nicht mehr so einfach, denn die Wehen hatten schon eingesetzt. Auf dem Weg durch die Innenstadt von Erding mussten wir dann sogar schon kurz rechts ran fahren, weil das Kopfsteinpflaster für Nadja sehr unangenehm war und sie es nicht ausgehalten hätte, während der Wehe über diese holprige Straße zu fahren.
Nachdem mein Engel dann noch am Wehenschreiber hing und auch nochmal ein Ultraschall hinter sich brachte, ging es um 00.00Uhr auch schon in den Kreissaal. Die nächsten vier Stunden und 46 Minuten sollten ganz schön anstrengend werden. Natürlich hat die Frau die Wehen, und muss das Kind rauspressen, ich will auch gar nicht schreiben dass eine Geburt für einen Mann schwerer ist, aber als ich so die ganze Zeit neben meiner Frau saß und ihre Hand hielt, völlig machtlos irgendwas für sie tun zu können außer ihre Hand zu halten, ihr zuzusehen wie sie unter Schmerzen unsere Tochter auf die Welt bringt, das ist nicht schön.
Es ist 04.45Uhr, ich schaue in ein völlig müdes, angestrengtes und erschöpftes Gesicht meiner Frau. Die Hebamme redet Nadja Mut zu „Noch einmal pressen, das Köpfchen sehen wir schon“, die Ärtzin hängt auf ihr und hilft mit zu Pressen, es geht drunter und drüber.
04.46Uhr, ich halte Nadjas Hand und sehe nach wie vor in ihr angestrengtes Gesicht. Plötzlich höre ich links hinter mir „wäää wääää wääää“, ich drehe mich um und sehe auf dem Entbindungsbett das schönste Geschöpf das ich jemals gesehen habe. Links von mir höre ich „Sie haben es geschafft“, aber das nehme ich gar nicht mehr wahr. Gegenüber von mir spricht mich die Ärztin an „Herr Hohme, wollten sie als Vater die Nabelschnur durchschneiden?“. Da war es. Das erste Mal. „Vater“. Wie ferngesteuert aus einem anderen Körper sehe ich mir dabei zu wie ich die Nabelschnur durchschneide. Ich gehe zu meiner Frau, drücke ihr einen Kuss auf die schweißnasse Stirn, sage ihr „Du hast es geschafft, hast es endlich hinter dir“. In dem Moment kommt die Hebamme und gibt meiner Frau unsere in Handtücher und Decken eingewickelte Tochter. Nadja ist ganz aus dem Häuschen „Oh Gott ist die süß!“, „Hallo Amelie“, „Sie ist so klein“. In mir gehen Gefühle vor sich, die man mit keinen Worten der Welt beschreiben kann. Ich weiß gar nicht wohin mit mir. Ich denke mir, „Wieso tropft denn jetzt auf einmal die Infusion über mir?“, ich schaue über mich und sehe, da ist gar keine Infusion, Das was da tropft bin ich, mir rollen ein paar kleine Freudentränen runter. Kurz darauf bekomme ich sie auf den Arm. Ich halte sie im Arm und schaue in ihr noch leicht gedrücktes aber wunderschönes Gesicht. Sie öffnet die Augen und schaut mich an. Ihre wunderschönen dunklen Augen schauen mich an. In dem Moment kommt es mir so vor als würde die Welt aufhören sich zu drehen. Ich kann mein Glück noch immer gar nicht fassen. So klein und zerbrechlich, so wunderschön und rein, so friedlich und lieb. Ich denke mir „Das muss ein Engel sein!“ Die nächsten Minuten verbringe ich nur damit da zu sitzen und meine Tochter anzuschauen. Ich sitze da und denke drüber nach das alle Eltern sagen, ihr Kind sei das schönste auf der ganzen Welt. Diese These ist hiermit wiederlegt, denn mein Kind, das kleine Mädchen das hier bei mir in meinen Armen liegt, ist das schönste Kind, nicht nur auf der ganzen Welt, sondern das schönste Kind aller Zeiten auf der ganzen Welt! Aus meinen Gedanken gerissen werde ich von Anni, unserer Hebamme. Sie meint sie müsse jetzt die erste Untersuchung durchführen und meine kleine schonmal ein bißchen waschen, aber wenn ich will, kann ich mit. Wir gehen ans Waschbecken im Kreissaal und ich sehe meine Tochter das erste Mal unverhüllt, ohne ein Handtuch, eine Decke oder dergleichen. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, ich denke mir wieder wie klein und zerbrechlich sie doch ist. Niemals will ich zulassen das ihr jemand was zu leide tut. Ich schwöre mir im Stillen immer für sie da zu sein, solange es in meiner Macht steht. Da liegt sie nun meine kleine. So lange haben wir auf sie gewartet und nun ist sie endlich auf der Welt. Gesund und Munter, alles da wo es sein soll. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Ich sehe die kleinen Füßchen, sehe die kleinen Zehen die teilweise noch etwas unkoordiniert übereinander stehen. Ich sehe die kleinen Händchen mit den kleinen Fingerchen. Sehe das ein Fingernägelchen schon ein bißchen eingerissen ist. Sie sind so winzig. Noch immer kann ich mein Glück nicht fassen.
Es ist ca. 06.30Uhr. Wir werden auf den Flur vor dem Kreissaal verlegt. Nadja liegt im Bett und hat unsere kleine Amelie bei sich. Ich kann mich kaum losreissen, sage aber dann “Ich gehe mal schnell raus die Opas und Omas erlösen”, die warscheinlich die ganze Nacht schon gespannt wachliegen. Veronika, die zweite Hebamme, grinst mir zu und sagt “Du kannst auch hier telefonieren, das geht schon in Ordnung”. Mit Freuden nehme ich diese Aussage zur Kenntnis. Kann ich so doch bei meiner noch so jungen und kleinen Familie bleiben. Die lang ersehnten Anrufe bei Omas, Opas und Geschwistern werden gemacht, alle freuen sich über die frohe Botschaft.
Ca. 07.30Uhr. Nadja wird ins Zimmer verlegt. Wir haben ein Familienzimmer geordert. Es kostet natürlich etwas Aufpreis mich auch dort unterzubringen, aber wie könnte ich in so einem Moment meine Frau, die Liebe meines Lebens und meine grade geborene Tochter, die zum Leben gewordene Liebe alleine lassen?
Der Tag vergeht wie im Flug. Wir beide, die frisch gebackenen überglücklichen Eltern können die Augen und Finger nicht von unserer kleinen so goldigen Tochter lassen. Wir sind am Ende unserer Kräfte, uns tut alles weh, und wir sind total übermüdet. Aber nie waren wir glücklicher als jetzt!