Ist zwar ein bischen viel zu lesen, aber der eine oder andere darf sich ruhig angesprochen fühlen ;-)
(Auzüge aus Astrid Steinmanns "Ein Forum, ein Forum - ein Königreich für ein Forum!":
Der gute Ton
Dem Forum fehlt im Vergleich zum realen Dasein eine Dimension: Das Aug' in Aug' Gegenüberstehen. Wo immer man sich unter Menschen begibt - man muß zunächst eine Tür öffnen und sieht sich in den meisten Fällen anderen Leuten gegenüber, die einem auch ins Gesicht sehen. Diese Gesichter, die einen ansehen und das Verhalten des Eintretenden schon durch Mimik beurteilen, stellen eine Hemmschwelle dar. Man wird schlicht "blöd angeschaut", wenn man irgendwo die Tür zu einer neuen Gemeinschaft öffnet und gleich losbölkt. Niemand, der das erste Mal ein Lokal betritt, wird die Tür aufreißen und "Ein Rüscherl, aber zack, zack!" schreien, noch bevor er sich seines Mantels entledigt, sich an einen Tisch gesetzt und in der Karte nachgesehen hat, ob es dergleichen in diesem Lokal überhaupt gibt. Im Forum ist das anders. Warum? Nun, weil viele Internetbenutzer die Angebote des Internet eben als eine Art "Anzeigenzeitung" verstehen. Ein paar interessante Artikel, ein Forum vielleicht, ein Gästebuch meistens, eine e-mail Adresse immer. Man blättert durch, liest oberflächlich und lobt, verreißt oder sagt nichts - letzteres tun die meisten Besucher der Seiten, die angeboten werden. Größtenteils ist das ja auch in Ordnung, Lob hört jeder gern, negative Kritik, wenn gut vorgebracht, kann hilfreich sein und für diejenigen, die lieber die Klappe halten als blödes Zeug rauszuquatschen, sind wir ja alle dankbar. Interessant für diesen Artikel sind diejenigen, die eben doch blödes Zeug rausquatschen und das dann auch noch Kritik nennen.
Da gibt es:
Die Ärgerlichen
Diese Menschen sind einfach sauer und hauen auf jeden, der ihnen in die Quere kommt, sei es nun gerecht oder ungerecht. So was kommt vor, nicht jeder hat einen Strahletag und so eine anonyme Liste von Betreffzeilen eignet sich natürlich zum Frustabladen bedeutend besser als der Stammtisch in der Kneipe, wo man richtig real-live einen kräftigen Schlag auf die Nase riskiert, wenn man sich massiv daneben benimmt. Im Forum riskiert man nichts - außer vielleicht einer patzigen Antwort. Aber das ist ja, was man braucht, um den Computer anschreien zu können statt der Stammtischbrüder oder des Vorgesetzten. Der Computer hat den großen Vorteil, daß er keinerlei physische Gewalt ausüben kann und das Forum den der Anonymität - die Community hat keine Macht über den Ärgerlichen, kann ihn weder seinen Job noch sonst eine Beziehung des realen Lebens kosten.
Die exzessiv Ehrlichen
Das sind reizende (in jedem Sinne des Wortes) Mitmenschen, die der Ansicht verhaftet sind, man müsse seine Meinung auch so sagen, wie man sie denkt. Viele dieser Leute haben eine sehr hohe "vertikale Intelligenz", will heißen, sie sind auf einem Fachgebiet wahrhaft brilliant, die Entwicklung ihres Taktes und ihres Gefühlslebens ist bei dieser Fachausbildung aber oft auf der Strecke geblieben. So können diese Leute (und sie tun es oft) in Bezug auf ein ganz bestimmtes Thema ausführlichst Auskunft geben, was ja fantastisch ist, sind aber häufig nicht in der Lage, die negativen Gedanken, die sie über ihre Mitmenschen hegen, in eine akzeptable Form zu bringen. Dies führt oft genug dazu, daß sich derjenige beleidigt fühlt, der nun tolerieren muß, daß der Ehrliche seine Meinung sagt. Im persönlichen Gespräch kann man so etwas verhältnismäßig leicht glatt bügeln, da Erklärungen schneller vorgebracht werden können und von Mimik und Gestik untermalt werden. In der Anonymität des Forums, begleitet von Emoticons, die sicher Hinweise geben aber bestimmt kein Ersatz für Gesicht und Hände des Einzelnen sind, kann die knochenharte Ehrlichkeit aber gewaltig nach hinten losgehen - entweder für den Ehrlichen selbst, falls er auch ehrlich daran interessiert ist, an der Diskussion teilzunehmen oder für die Community, falls sie einen Ehrlichen, der eben dieses Interesse nicht hat, davon zu überzeugen sucht, daß sein Verständnis von Ehrlichkeit in dieser Gemeinschaft mit Beleidigung gleichgesetzt wird.
Die Greiner
Hier haben wir es mit solchen Menschen zu tun, die schon beim geringfügigsten Problem nicht mehr in der Lage sind, klar zu denken und somit auch sofort ihre Fähigkeit zur Recherche verlieren. Dieses schlägt sich dann in selbstmitleidigen Postings wieder, die den Eindruck vermitteln, daß der Greiner in seiner Gram zerfließt. Häufig genug sind diese Postings mit Blockbuchstaben, Ausruf- und Fragezeichen gespickt und ob der Verzweiflung des Greiners auch nur sehr unzulänglich formuliert. Es wird selten klar, was er denn nun eigentlich will und man hat seine liebe Not, es aus ihm herauszubekommen. Wenn es einem dann gelingt, stellt sich meistens heraus, daß das Anliegen derart dämlich ist, daß es unbedingt so unzulänglich formuliert werden mußte, um nicht die Intelligenz des Greiners von vornherein in Frage zu stellen.
Die Radaubrüder
Das sind die Rocker des Internet. Man findet sie allüberall, und sie sind unverbesserlich. Überall, wo sie auftauchen, hinterlassen sie ihre Spuren, sie sind laut, unhöflich, meistens zwischen himmelschreiend dumm und gründlich halbgebildet und wollen nur Streit säen. Oft genug sind es die sogenannten Elche, die ein provokatives Posting, also einen Troll, schreiben und sich danach vor Lachen biegen, wenn sie sehen, wie die gesamte Community darauf hereinfällt und sich in die Diskussion stürzt. Ab und zu sind es auch solche, die konstant unter der Machtausübung anderer (Eltern, Lehrer, Vorgesetzte) zu leiden haben und hier das Ventil finden, sich Luft zu machen und ungefährdet andere anzubrüllen, absichtlich zu beleidigen und auf alle Füße zu treten, derer sie habhaft werden können. Überschneidungen mit den beiden zuerst genannten Gruppen gibt es sicherlich - jedoch sind die "Austobereien" und Entgleisungen der Ärgerlichen und der exzessiv Ehrlichen normalerweise Einzelfälle. Die Radaubrüder liefern keinen Beitrag und sind nur an virtuellen Prügeleien interessiert, sie haben kein Thema und wahrscheinlich noch nicht einmal den Geist, um sich mit einem zu befassen.
Die Forderer
Dieser Typus wird Ihnen auf Seifenopern-Fansites mit der Forderung nach Bildern begegnen, in Rechtsfachforen mit der Forderung nach Rechtsberatung und hier eben mit der Forderung nach Begradigung des ohne jegliches Verständnis geschriebenen Codes für Hypertext. Oft genug sind diese Forderungen in einem derart unverschämten Ton geschrieben, daß es einem den Atem raubt.
Daß ein jedes Angebot im Internet seine Grenzen hat, übersehen sie großzügig, ebenso, daß sie für weitergehende Informationen eben entsprechende Instanzen in Anspruch nehmen müssen. Sie wollen alles, und nach Möglichkeit wollen sie es umsonst. Wenn sie darauf hingewiesen werden, daß sie vielleicht besser ihren Ton mäßigen sollten und vielleicht selbst sehen, ob sie weiterführende Informationen finden können, reagieren sie mit völligem Unverständnis, frei nach dem Motto: "Wieso, IHR bietet mir doch was an, nun macht doch endlich mal und hört endlich auf, diese störenden Vorträge über Benehmen zu halten." Sie wähnen sich in der Position dessen, der durch die Inanspruchnahme eines Dienstes das Recht erworben hat, diesen Dienst auch bis zum letzten Winkel auszunutzen. Was sie dabei vergessen, ist die Tatsache, daß so etwas nur dann funktioniert, wenn es sich tatsächlich um einen Dienst handelt. Daß dies oft nicht der Fall ist, ignorieren sie nur zu gern und zu leicht.
Diese Ausführungen, die weder Anspruch auf Vollständigkeit erheben noch ausführlich auf Überschneidungen eingehen, sollten Sie dazu anregen, darüber nachzudenken, wie sie Ihr Verhältnis zu den Forumsteilnehmern und umgekehrt definiert sehen möchten und was für ein Reglement Sie aufstellen möchten, um von vornherein Mittel in der Hand zu haben, die Ihnen das Leben erleichtern, wenn Ihr Forum von Teilnehmern zweickentfremdet und mißbraucht wird.
Das Zauberwort heißt Moderation - eine Maßnahme, die Sie von vornehrein in Ihrer Hausordnung festlegen sollten, damit alle wissen, daß Leute, die sich nicht an die Hausordnung halten, zurechtgewiesen werden.
Wie kann man ein Forum so moderieren, daß man es allen recht macht?
Im Prinzip geht das nicht. Sie werden immer Menschen finden, die aufgrund des öffentlichen Charakters, den ein Forum im Internet hat, ein Recht darauf beanspruchen, ihre guten oder schlechten Gedanken so zum Besten zu geben, wie sie es wollen und sich entsprechend geknebelt fühlen, wenn Sie der Ansicht sind, daß der Beitrag so nicht in Ihr Forum paßt und ihn entsprechend sperren oder löschen. Also besteht Ihre Aufgabe darin, eine gewisse Ruhe zu gewährleisten ohne für despotisch gehalten zu werden. Das ist - fragen Sie die leidgeprüften Moderatoren des hier verfügbaren Forums - ein Eiertanz, der seinesgleichen sucht.
Auweia - Randale im Forum
Es kommt immer wieder vor, daß in Foren hitzige Diskussionen geführt werden, die in verbale Schlammschlachten ausarten. Wenn es sich um ein Thema handelt, auf den ein Teil der Besucher sensibel reagiert, kann es teilweise zu üblen Zusammenstößen kommen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Versuchen Sie, so klar und sachlich wie möglich in die Diskussion einzugreifen, ohne jemandem das Gefühl zu geben, das "Maul gestopft" zu bekommen. Fragen Sie vielleicht auch noch einmal nach, wie dieses oder jenes zu verstehen sei und versuchen Sie, im Eifer des Gefechts unmäßig scharf formulierten Postings so die Wucht zu nehmen. Vorsicht bei Leuten, die ihre Argumentation immer und immer wieder neu posten. Das sind meistens Elche. Hier weisen Sie am Besten darauf hin, daß es sich bei diesem Posting um einen Troll handelt und daß darauf nicht mehr geantwortet werden sollte. Wenn die Diskussion doch weitergeht, am besten das Posting sperren oder löschen, bei wütenden Protesten auf die Hausordnung verweisen.
An allem, was ich hier geschrieben habe, können Sie sehen, daß ein Forum, wenn es erfolgreich sein soll, mit ziemlichem Arbeitsaufwand verbunden ist. Es reicht nicht, es einfach nur zurechtzuschneidern und in Ihre Seiten einzubinden - sie müssen es wirklich hegen und pflegen, sonst geht es kläglich zugrunde.
Quelle - SelfHTML